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Resturlaub

Resturlaub

Titel: Resturlaub Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tommy Jaud
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die ersten Tage. Nichts gegen Keks, aber ein Neuanfang sieht anders aus, wenn man gerade aus Franken geflohen ist. Ein Alkoholiker macht seinen Entzug ja auch nicht in der Kantine bei Krombacher.
    »Kennste? Bamberch?«
    Mögen sich Psychologen damit beschäftigen, warum, aber ich schüttle den Kopf.
    »Nur mal gehört!«
    Gemeinsam setzen wir uns wieder an den Tisch.
    »Und du, Beter? Woher kommst du?«
    »Aus Berlin!«
    »Berlin? Subber!«, freut sich Keks.
    »Wieso?«
    »Weil ich bald nach Berlin gehe fürs Studium! Da kannst du aber mal davon ausgehen, dass ich dir ein paar Löcher in den Bauch frage!«
    »Ja, frag ruhig.« Ich gebe mir Mühe, nicht gequält zu lächeln.
    »Warum bist du hier?«, fragt mich Keks.
    »Warum ich hier bin?«, wiederhole ich und deute auf Keks' Zigarettenpackung, vermutlich um Zeit zu gewinnen.
    »Nimm nur!«
    »Danke!«
    »Ich will einfach nur ... Spanisch lernen. Und dann mal schauen ...«
    »Wie alle halt!«
    »Genau! Wie alle!«
    »Wie lange bleibste?«
    »Weiß noch nicht, auch mal schauen.«
    »Haste schon 'ne Schule? Weil, wenn nicht, kann ich eine empfehlen.«
    »Gerne!«
    »Ich frag dich hier aus und du hast noch net amal dein Zimmer gesehen. Willste?«
    »Das wäre toll!« sage ich mit einer starken Betonung auf dem für Franken quasi nicht aussprechbaren »t«.
    Über einen dunklen, leicht muffigen Gang erreichen wir mein Zimmer: eine circa zehn Quadratmeter große Kammer, deren herausragende Eigenschaften die rosa Wandfarbe und die flackernde Energiesparlampe an der Decke sind. Kein Meerblick. Keine bodentiefen Fenster.
    »Oh«, sage ich und setze mich an den Rand meines blau-gelb bezogenen Metallbettes, was sich bedenklich biegt. »Des is a Boca-Juniors-Bezug«, lacht Keks, »Bedro is nämlich der größte Boca-Fan der Welt.«
    »Okay«, sage ich, weil ich kein besonders großer Fußballfan bin, und hebe die Matratze des Bettes hoch. Es fehlen zwei Bretter des Lattenrostes, wodurch man leider noch etwas genauer sehen kann, dass unter dem Bett seit Jahren nicht sauber gemacht wurde.
    Ich rücke die Matratze wieder zurecht und öffne das Fenster. Doch überraschenderweise blicke ich dabei nicht nach draußen, sondern in ein weiteres Zimmer, in dem eine Waschmaschine steht und ein zweiter Boca-Juniors-Bettbezug an einer Leine hängt. Verdutzt schaue ich Keks an.
    »Ich hab ja gar kein Fenster!«
    »Aber des andere Zimmer hat eins«, tröstet mich Keks, »komm, ich zeig's dir!«
    Wir gehen nach drüben, damit ich einen Blick durch mein Zweitfenster werfen kann. Statt auf das Meer oder wenigstens die Stadt blicke ich auf einen engen Luftschacht. Es riecht nach gebratenem Fleisch und aus irgendeinem Apartment dröhnt eine zu laut aufgedrehte TV-Quizshow. Ich schließe das Fenster des Hauswirtschaftsraumes und folge Keks in die neonbeleuchtete Küche.
    »Für'n Anfang isses doch ganz okay, oder?«, fragt Keks mich vorsichtig.
    Ich nicke.
    »Wunderbar!«
    Dann muss Keks los ins Goethe-Institut. Ich bekomme meinen eigenen Wohnungsschlüssel und eine Einladung für ein »Dea-derstück« am Abend, in dem Keks mitspielt.
    »Nur a kleine Rolle!«
    »Immerhin!«
    Ich lehne freundlich ab, was weniger an Keks' kleiner Rolle als vielmehr an der Tatsache liegt, dass ich nicht vorhabe, meinen ersten Abend in der neuen Welt mit einer Bambergerin zu verbringen. Als die Tür zufällt, setze ich mich erschöpft an den Küchentisch und zünde mir eine Zigarette an.
    Okay, für'n Anfang ist es jetzt nicht so gut gelaufen, aber ... egal!
    Dies hier, denke ich mir, dies hier ist Minute Null meines neuen Lebens.
    Zum ersten Mal nach wirklich langer Zeit bin ich alleine. Ich kann machen was ich will. Und ich weiß auch schon was. Alles neu!
    »Ich hab es geschafft!«, sage ich laut und lächle. Dann höre ich die vertraute »Wer hat an der Uhr gedreht, ist es wirklich schon so spät?«-Melodie meines Handys. Es ist Biene.
    lEn efectivo?
    »HALLO?«, FRAGE ICH VORSICHTIG und schon nach diesem einen Wort komme ich mir schäbig vor.
    »Mausbär!«, höre ich Biene sagen. So nah klingt sie, als stünde sie direkt neben mir auf dem verglasten Balkon.
    »Mausbär, ich hab mir solche Sorgen gemacht, ist alles gut, du klingst so komisch?!«, rattert sie ihre aufgeregten Fragen ins Telefon.
    »Ich klinge komisch?«
    Nur Frauen ist es offenbar möglich, aus einem einzigen »Hallo« herauszuhören, dass etwas nicht stimmt. Und für einen Augenblick habe ich sogar Angst, dass ich in meinem neuen Leben schneller

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