Resturlaub
jetzt nicht im Urlaub damit belasten ...«
»Mausbär! Wir erzählen uns doch immer alles.«
»Also gut. Ich war doch gestern im Büro, noch ein, zwei Sachen erledigen, bevor ich komme. Hat mir der alte Sack doch tatsächlich 'ne neue Kollegin vor die Nase gesetzt! Das heißt, nicht vor die Nase . also, die saß sogar schon auf meinem Stuhl! Kerstin Zack. Frisch von der Uni. Hammer, oder?«
»Das gibt's doch net!«
»Wenn ich's dir sage! Ich bin natürlich sofort runter zum
Seppelpeter und der hat so getan, als wär's die normalste Sache der Welt! Die soll mich unterstützen, das wär' ne Controllerin, die war vorher bei der Bosch und so .«
»Die woll'n dich absägen?«
»Sieht so aus!«
»Ja gut, dass du nochmal ins Büro bist. Stell dir vor, du wärst aus dem Urlaub gekommen und hättest keinen Job mehr gehabt! Ich meine, gibt's was Schlimmeres, als so was nach dem Urlaub zu erfahren?«
»Äh ...«
»Na jedenfalls ... die Sache ist jetzt natürlich die ...«
»Brauchst gar nicht weiterreden. Du bleibst natürlich daheim! Ist doch klar! Vollstes Verständnis, Mausbär! Jetzt musste kämpfen! Am liebsten würde ich auch nach Hause fliegen!«
»Nein!«
»Was?«
»Ich meine, das bringt doch nichts, wenn du dich nicht erholst!«
»Aber EIN Anruf von dir und ich komme!«
»Das ist lieb. Danke.«
Was für eine tolle Frau, denke ich mir bizarrerweise. Sie würde tatsächlich ihren Urlaub abbrechen für mich. Sie glaubt mir jedes einzelne Wort. Doch je mehr sie mir glaubt, desto beschissener fühle ich mich.
Biene erzählt mir noch, dass Jason in einen Seeigel getreten und Checko in einer Kurve von der Rennbanane gefallen ist. »Aber was ist das schon gegen die Sache mit deinem Job!«, ereifert sich Biene, »die blöde Kuh!«
»Ich schaff das schon«, beschwichtige ich Biene und muss versprechen, mich bald wieder per Mail zu melden, dann lege ich auf. 8 Peso 20 steht auf einem kleinen Telefondisplay vor mir. 8 Peso 20 und jeder Centavo davon war gelogen. Als ich mich von meinem Stuhl erhebe, bemerke ich, dass ich total durchgeschwitzt bin. Noch völlig in Gedanken wegen des Telefongesprächs sehe ich über einem Automaten ein Angebot über 19 Peso für einhundert Visitenkarten. Ich tippe meine Daten ein und nach nur fünf Minuten halte ich meine neue Identität in den Händen.
PETER GREULICH c/o Pedro Cattaneo Santa Fe 1 767 7E Buenas Aires, Argentinien Tel.: 15 40 98 43 92
Ich stecke sie ein und miete mir eine halbe Stunde Internet, um mich ein wenig abzulenken. Auf der Seite vom Fränkischen Tag erfahre ich, dass es ab Freitag Federweißen gibt und dass der in diesem Jahr mit 75 Grad Öchsle Mostgewicht von hervorragender Qualität sei. Über Checkos Unfall mit der Rennbanane finde ich nichts. Dafür sei der Auftritt der Jagdhornbläsergruppe Strullendorf beim Kinderfest ein großer Erfolg gewesen.
Mondgesicht
NACH EINEM RECHT UNSPEKTAKULÄREN NACHMITTAG, dessen bescheidene Höhepunkte die Besichtigung einer miesen Wohnung über einer Sportsbar sowie der Erwerb und das Verstecken von weiteren fünf Nutellagläsern waren, steige ich, zwei Blocks von der Sprachschule entfernt, an der Ecke Lima y Moreno aus dem Taxi. Vielleicht bin ich ja nächste Woche sprachlich soweit, mich direkt zur Adresse Hipolito Yrigoyen Höhe Bernardo de Irigoyen fahren zu lassen.
Von den anderen Schülern, die sich in die Kinoliste eingetragen haben, ist weit und breit noch keiner zu sehen. Es kann natürlich auch sein, dass die anderen ebenfalls an leichter auszusprechenden Straßenecken ausgestiegen sind und jetzt noch unterwegs sind. Ich zünde mir eine Zigarette an, lehne mich so argentinisch wie möglich an die Häuserwand und beobachte das Treiben auf der Straße. Vor einem heruntergekommenen Parkhaus gegenüber fegt ein alter Mann mit Arbeitermütze die Einfahrt. Durch das Fenster im Gebäude nebenan sehe ich eine Zottel-Backpackerin, die einen Rucksack auf ein Stockbett wuchtet. Und dann kommt Luna. Sie wirkt ein wenig abgehetzt, trägt diesmal eine elegante Stoffhose und einen langen, hellen Mantel, der ihren dunklen Teint noch hervorhebt. Ihre Haare hat sie zum Zopf gebunden.
»jHola! Lo siento pero habian cortado la calle los piqueteros.«
Bis auf jHola! und cortado habe ich leider nichts verstanden. Immerhin. Ein Cortado, das ist mein Lieblingsgetränk auf Mallorca: Espresso mit aufgeschäumter Milch. Vielleicht will Luna ja mit mir einen Kaffee trinken? Aber sicher bin ich mir nicht.
»Hola!«, sage auch
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