Resturlaub
natürlich ist auch der Urlaub gelaufen für sie, aber besser als das Ungewisse.
»Hallo?«, fragt Biene, »bist du noch dran?«
»Äh ja, das ... ist 'ne komische Verbindung manchmal!«, stammle ich.
»Hauptsache, ich kann deine Stimme hören. Du, ich vermiss dich ganz arg. Und deine Freunde auch, fast jeden Abend gibt's irgendwelche Geschichten von dir am Tisch und . Na ja, fehlst halt hier . und mir!«
»Du fehlst mir auch«, sage ich und erzähle irgendwelchen erfundenen Quatsch aus dem Seppelpeter's-Büro. Gegen Ende unseres Gesprächs bin ich nicht nur immer noch mit Biene zusammen, ich muss auch unseren Bambus auf dem Balkon festbinden wegen eines Sturms, der kommen soll.
»Mach ich, Schatz!«
»Bist auch ein Schatz, Mausbär!«
Dann lege ich auf.
Was soll ich groß sagen?
Ich hab's einfach nicht übers Herz gebracht.
Schwerfällig tapse ich ins Bad und stelle mich fast eine viertel Stunde unter die Dusche. Als ich mich auf den Weg in die Sprachschule machen will, sehe ich eine handgeschriebene Nachricht für mich an der Tür kleben. Sie ist von Keks.
Pitschi, wenn du Zeit hast, kannst du mir einen riesigen Gefallen tun und den Leberkäs und die Bratwürste abholen für unseren fränkischen Abend. Ich schaffe es nicht, weil ich zwischen Institut und Theater noch Therapie habe.
Adresse ist: Zum Gemütlichkeit, Humberto 1 ° 899 in San Telmo. Ist alles bezahlt.
Un beso, Keks
»UNSEREN fränkischen Abend?«, sage ich laut. Dann stecke ich ein wenig missmutig die 50 Pesos ein und kämpfe mich zu Fuß eine gute halbe Stunde zu Multilingua. An der Avenida 9 de Julio passiere ich die drei Selbstmörderampeln in neuer Rekordzeit und als ich um Punkt elf Uhr verschwitzt und mit rotem Kopf die Tür zur Sprachschule öffne, stehe ich direkt vor der schönen Luna, die mich, wenn ich sie richtig verstehe, fragt, wie mir der Film gestern gefallen hat.
»jHola! Que tarde llegas! Te gusto lapelicula que viste?«
Ich sage, dass mir der Film ausgezeichnet gefallen hat und dass ich großen Spaß hatte im Kino. Dann führt mich Luna in mein fensterloses Klassenzimmer. Dort warten insgesamt schon vier Schüler: Heidi, die bunt bebluste Schwäbin, ihre ebenso grausam angezogene Freundin, ein kompakter, aber sympathisch wirkender Glatzkopf, der aussieht wie Meister Proper, und ein groß gewachsener Schönling mit Sonnenbrille im gelockten Haar.
»Hallo!«, sage ich und setze mich.
»Der Bidschi!«, ruft Heidi und freut sich offenbar aufrichtig, mich zu sehen.
»Woher kennst du denn meinen Spitznamen?«, frage ich erschrocken.
»D' Franzisca am Empfang hat'n ons verzählt, weil se den so luschdich gfonna hat. Bitschi heißt uff spanisch nemmlich Nichtsnutz!«
»Im Ernst?«
»Gell, Elfi?«
Elfi nickt. Offenbar muss ich noch eifriger an meiner neuen Identität basteln. »Nichtsnutz, freut mich«, sage ich und gebe Heidis Freundin die Hand. »Wie war denn euer Abend mit den Argentiniern?«, frage ich.
»Du, voll subber! D' Leit senn ja voll nett dohanna, mir henn dr ganze Obend bloß spanisch gschwätzt, i hanns zom Schluss gar nemme gmerkt!«
»Die Argentinier wahrscheinlich auch nicht!«
»Wie moinsch des jetzt?«
Ein sportlicher junger Mann mit feinem, dünnem Haar betritt das Klassenzimmer, schreibt »Nicolas« an die Tafel und bittet uns, uns noch einmal vorzustellen auf Spanisch.
»Me llamo Peter y soy aleman«, sage ich.
»Me llamo Enrico y soy italiano, de Venecia!«, sagt Meister Proper.
»Me llamo Heidi y soy de Schduagard.« Das Stuttgarter Pummelchen bringt es fertig, sogar im Spanischen zu schwäbeln.
»Elfi de Alemania«, sagt ihre Freundin.
»Francesco de Venecia«, lacht Francesco aus Italien.
»Muy bien«, lacht Nico und deutet auf den Namen hinter sich auf der Tafel.
»Mi nombre es Nico, vivo en Buenos Aires pero naci en Cordoba.«
»Ein Nazi aus Cordoba?«, fragt Elfi ihre Nachbarin.
» Naci heisch gebora«, kichert Heidi.
Ich bemerke, dass ich überhaupt nicht auf den Kurs vorbereitet bin, und muss mir sogar Papier und Kugelschreiber leihen. Der Lehrer ist gut und in der ersten halben Stunde geht es darum, auf Spanisch Dinge mit anderen Dingen zu vergleichen. Als Heidi allen Ernstes behauptet, Stuttgart wäre la mejor ciudad del mundo, verdrücke ich mich aufs Klo. Ich schleiche gerade am letzten Klassenzimmer vor den Toilettentüren vorbei, da sehe ich, wie Luna die Verben ser und estar an die Tafel schreibt und dabei nicht gerade entspannt aussieht. Wegen ser und estar tippe ich
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