Resturlaub
ist?«
Ich schüttle den Kopf.
»In Argentinien träumen wir immer von Europa und ihr Europäer träumt immer von Argentinien.«
»Kein Wunder«, sage ich, »bei uns ist ja auch alles scheiße!«
»Glaub ich nicht«, sagt Stefano, »wo genau wohnst du denn?«
»Bamberg!« »Gibt ja nicht«, freut sich Stefano und stößt mit mir an, »meine Großmutter ist auch aus Bayern, aus Erding! Dann sind wir ja beide Bayern!«
»Nein«, protestiere ich. »DU bist Bayer, ICH bin Franke!«
Aus einer Holzschublade hinter der Bar zieht Stefan einen deutschen Reisepass und reicht ihn mir.
»Ein deutscher Pass!«, sage ich erstaunt und blättere die Seite mit dem Namen und dem Foto auf. Stefano Branda Baya steht dort, neben einem brandneuen Schwarzweißfoto.
»Warum hast du einen deutschen Pass?«
»Wegen meiner Großmutter. War eine harte Kampf hier in Konsulat, aber jetzt hab ich ihn!«
Ein harter Kampf im Konsulat? Vielleicht ist das ja ein Ansatz für eine Geschichte.
»Sicher sind das chaotische Zustände hier im deutschen Konsulat und nichts klappt, oder?«, frage ich.
»Nee. Klappt alles gut!«
Schade. Ich nehme einen Schluck Bier und gebe Stefano seinen Pass zurück. »Und? Was machst du jetzt damit?«
»Erst mal nichts. Jetzt bin ich halt nicht nur Argentinier, sondern auch Deutscher.«
»Sicher eine wahnsinnige Zerrissenheit, dass man nicht weiß, wohin man gehört oder? So mit zwei halben Heimaten ...«
»Nein?!?«
Schade.
»Wie ist denn DER Argentinier so?«, frage ich, »also mal angenommen, es gäbe nur einen einzigen Argentinier, der dafür besonders typisch wäre. Wie wäre der dann?«
»Nur ein Argentinier?«
»Ja!«
»Der wäre einsam!« »Nein! Ich mein das anders«, lache ich, »nur mal angenommen, es gäbe einen einzigen Argentinier, nur theoretisch. Wie wäre der denn dann?«
»Ach so. Verstehe ich jetzt. DER Argentinier ist eigentlich ein Europäer. Ein Europäer am Ende von die Welt. Er wohnt auf jeden Fall in Buenos Aires. DER Argentinier ist eigentlich gar kein Argentinier, sondern ein Europäer, dem keiner mehr schreibt.«
Nachdenklich zünde ich mir eine Zigarette an.
»Warum schreibt ihm denn keiner mehr?«
»Weil man ihn vergessen hat.«
»Gibt es deswegen so viele Internetcafes hier?«, frage ich.
»Genau«, lacht Stefano, »die Argentinier schauen täglich ein paar Mal, ob sie nicht doch Post haben aus Europa!«
Ich nehme einen Schluck Bier und überlege mir, wer mir hier zum letzten Mal geschrieben hat. Es war Biene.
»Weißt du, welchen Spitznamen die Argentinier haben im Rest von Südamerika? j Damedos!«
»Gib mir zwei?«, frage ich.
»Genau. Weil vor der Wirtschaftskrise alle sind geflogen nach Brasilien und in die USA geflogen für shopping. Immer mit Kreditkarte und alles doppelt gekauft! Die Wahrheit ist: Argentinier kann keiner leiden.«
»Die Deutschen kann auch keiner leiden.«
»Siehst du«, grinst Stefano. »Eine deutsche Kneipe in Argentinien! Und jetzt frag mich mal, warum ich keine Gäste habe!«
Lachend stoßen wir an. Inzwischen gesellen sich die ersten bierbedingten Wahrnehmungsstörungen zu mir. Positiv zu bewerten ist allerdings, dass gegen zwei Liter Warsteiner nicht mal meine chronische Anspannung eine Chance hat. Als Stefano eine CD mit Heidi in den Spieler legt, singe ich so lange mit, bis ich bemerke, dass das peinlich ist. Und dann erzähle ich Stefano alles über Bamberg, ein wenig über Biene und meinen Job als PR-Mann bei einer Brauerei.
»Das ist gut!«, lobt er mich. »Ein Traumjob! In Brauerei, sehr gut!«
»Na ja«, sage ich.
»Und was willst du machen in Buenos Aires?«
»Ich werde mir was suchen. Was mit Bier. Oder mit Journalismus. Du hast nicht zufällig eine Idee, über was ich schreiben könnte?«
»Schreib über mich! Ist gute Werbung!«, lacht Stefano und zapft uns ein weiteres Bier.
»Dann musst du den Artikel auch bezahlen«, lache ich.
»Dann schreib über anderes, ich hab leider kein Geld mehr. Steckt alles hier in die Gemütlichkeit! Oder schreib über TaxiEntführungen.«
»Sie entführen Taxis?«
»Nein«, lacht Stefano, »die Leute drin!«
»Ach so.« Zum ersten Mal sehe ich einen Ring an seiner linken Hand. »Du bist verheiratet?«
»Aber ja!«
Aus seinem Portemonnaie zieht er ein kleines Foto von einer hübschen, aber unscheinbaren Frau.
»Eva!«, sagt er stolz und als ich diese ganz normale Frau so betrachte und Stefans Stolz spüre, da wächst in mir ganz plötzlich das dringende Bedürfnis, Biene
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