Resturlaub
Wir hätten sogar miteinander schlafen können. Die ganze Nacht. Heute und morgen wieder. Weil ich eigentlich gar keine Freundin mehr habe.
Scheißerei
DASS BUENOS AIRES keinen Strand hat, wusste ich ja bereits. Doch nun muss ich ausgerechnet von Luna erfahren, dass es nicht mal am Meer liegt! Das braune Etwas, durch das unser Touristendampfer gerade tuckert, sei nämlich lediglich das Mündungsdelta des Rio de la Plata und das erstrecke sich von San Clemente del Tuyu bis hoch nach Uruguay. Danach beginne das Meer.
Ich bin gespannt, was ich noch alles erfahre über diese seltsame Stadt. Was soll's! Ich stehe bei für den argentinischen Winter ungewöhnlichen 20 Grad und strahlendem Sonnenschein an der Reling eines romantischen Ausflugsdampfers und lasse kleine, bunte Holzhäuschen an mir vorbeiziehen. Neben mir sonnt sich die wunderbare Luna, diesmal ganz entspannt und mit einem zufriedenen Lächeln. Jetzt mal ehrlich: Es gibt Schlimmeres. Als wir an einer Art Clubhaus mit Steg zum Fluss vorbeituckern, verrät mir Luna, dass hier die portenos mit ein bisschen mehr Schotter ihre Wochenenden verbringen. Man glaubt es sofort, denn sowohl die Häuser als auch die Gärten sind enorm gepflegt. Teakholz statt Plastik, englischer Rasen statt Gestrüpp. Das Einzige, was an diesem harmonischen Bild stört, ist das kackbraune Flusswasser. Und Heidi.
»Do kriegsch bestemmt Pickl, wenn de do nei sprengsch in die Brüh!« Angewidert drehe ich mich nach links. Nicht wegen der Brühe, sondern wegen Heidi. Pickel kriege ich nämlich erst recht, wenn sich dicke Schwäbinnen in zu enge, pinkblaue Pullover zwängen und mich stundenlang zuplärren.
»Spring doch, dann wissen wir's«, antworte ich und sogar Luna muss ein Grinsen unterdrücken.
»I ben doch net bleed!«, lacht Heidi so laut, dass zwei junge Sportler neben unserem Boot fast aus ihrem Kajak fallen. Noch so ein Lacher, denke ich mir, und ich schubse den Schwabenklops direkt über Bord. Heidi nervt! Was immer ich in den letzten zwei Stunden zu Luna gesagt habe, hat sie schwäbelnd kommentiert. Was immer ich Lustiges erlebt und Luna mit meinem gebrochenen Spanisch erzählt habe, Heidi ist »was viel Besseres passiert«. Und das alles nur, weil sich Heidis beste Freundin den Magen verdorben hat und nicht mit auf den Ausflug kommen konnte. Oder wie Heidi es dezent formuliert hat: »Die hat d' Scheißerei!«
Zu Beginn unseres Ausflugs waren wir eine lustige kleine Gruppe, bestehend aus meinen beiden Kursitalienern Meister Proper und Schönlocke, einem schüchternen Brasilianer, einer moppeligen Belgierin, Luna und mir. Doch wie das Leben so spielt, kam es schon im Zug zum Tigre-Delta zu einer höchst unglücklichen Gruppenbildung: Die anderen - und Heidi, Luna und ich.
Wenigstens, und das ist bisher der einzig positive Aspekt des Tages, ist Luna etwas aufgetaut und wir haben ein wenig über Belanglosigkeiten geplaudert. Wie mir Buenos Aires gefällt: gut. Ob sie schon mal in Europa war: ja, mehrmals mit ihrem Schweizer Ex-Mann. Leider unterhalten wir uns immer noch auf Spanisch, was kein gutes Zeichen ist bei einer Frau, die sagt, dass sie nur privat deutsch spricht. So distanziert Luna auch sein mag, ich genieße es, in ihrer Nähe zu stehen und wenn es irgendeinen Grund gibt, Spanisch zu lernen auf dieser Welt, dann ist sie es. Als sich Heidi kurz von uns abwendet, fragt mich Luna, was ich vorhabe, hier in Buenos Aires.
»Y vos, Peter, que vas a hacer aca?«
Ich sage ihr, dass ich nichts mehr machen muss, weil ich meine PR-Firma mit großem Gewinn verkauft habe. Ich weiß nicht mal, warum ich das sage. Womöglich will ich sie einfach nur beeindrucken.
Luna ist, gelinde gesagt, schwer beeindruckt. Heidi nicht.
»Bah! Die schdingt, die Brüh!«
Ich werfe Heidi einen nicht gerade liebevollen Blick zu. Jeden halbwegs vernünftigen Ansatz eines Gesprächs zwischen Luna und mir hat Heidi mir schon in Grund und Boden geschwäbelt! Und in einer knappen halben Stunde werden wir am Hafen anlegen und mit dem Zug zurück nach Buenos Aires fahren. Und dann? Das Abendessen, die Tango-Veranstaltung, eines ist sicher: Heidi wird keinen Millimeter von meiner Seite weichen. Aber was soll ich machen? Ich kann sie ja nicht einfach über Bord schubsen. Als Luna sich fröstelnd ihre Jacke überzieht und auf die Uhr schaut, bin ich mir sicher, dass der Abend gelaufen ist.
»^Queres tomar algo? ^Peter? ^Heidi?«
Da ich jede heidifreie Minute genieße, biete ich an, allen etwas zu trinken
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