Resturlaub
meinem kleinen Eckchen stehen und genieße den Augenblick. Luna hat deutsch mit mir gesprochen. Luna, die deutsch nur privat spricht!
Ich bemerke, dass ich schon die ganze Zeit die große Flasche Bier im Arm halte, und nehme einen großen Schluck. Als die Musik endet, klemme ich meine Flasche ein und klatsche begeistert mit. Ein wohliges Gefühl bahnt sich seinen Weg durch meinen ganzen Körper. Die gesamte Anspannung der letzten Tage weicht von mir, ich fühle mich leicht und zufrieden. Endlich bin ich angekommen. Angekommen in der Stadt der Therapeuten, Augenringe und gestörten Katzen. Und in der Stadt der schönen Frauen. »Luna«, sage ich lautlos zu mir selbst, »jque te mejores!« Langsam trinke ich das Bier leer, dann kaufe ich zwei neue Flaschen und kehre zurück an unseren Tisch neben der Bühne. Als ich mich setze, bemerke ich ein kleines Glas mit einem grünen Getränk vor mir.
»Absintho! For you«, lächelt mir der beglatzte Enrico aus meinem Kurs zu und brennt ein Zuckerstück an, das er auf einer Gabel über dem Glas platziert hat. Ich mache es ihm nach, fülle ein wenig Mineralwasser dazu und trinke auf Ex. Es ist warm und schmeckt nach Anis. Und es scheint ziemlich stark.
»Where's Heidi?«, frage ich, als ich das leere Glas abstelle.
»Shesa dancing. Overa there!«
Enrico deutet grinsend auf ein pinkblaues, pumpendes Etwas, das von einem schlanken jungen Mann herumgewirbelt wird. Nur der liebe Gott weiß, wie Schwaben-Heidi zu so einem Tanzpartner gekommen ist. Was soll's!? Durch meine Hose hindurch taste ich nach meinem argentinischen Handy, als wolle ich sichergehen, dass es das Gespräch mit Luna eben wirklich gegeben hat. Enricos Kumpel Francesco, der gleich eine ganze Flasche Absinth besorgt hat, fragt mich, ob ich noch einen trinken will.
Ich will.
Mein erster richtiger Abend in Buenos Aires und mein Luna-Date muss schließlich begossen werden! Nach dem zweiten Absinth fühle ich mich bereits wie nach vier Seppelpeter's Spezial's. Den dritten brenne ich kichernd und einäugig an und nach dem vierten tanze ich, es ist wirklich wahr, mit Heidi. Ich habe keine Ahnung, was wir da tanzen und wie es auf die Umstehenden wirkt, weil ich die Umstehenden gar nicht mehr wirklich sehen kann. Sie vermischen sich auf eine geheimnisvolle Art und Weise mit den seltsamen Gemälden an der Wand, verschwimmen in ihren Bewegungen mit dem Tango.
»Du kannsch ja doch danza!«, lacht Heidi und ich lache auch nur noch, denn das mit dem Reden bringt jetzt wirklich nichts mehr. Nach einem weiteren Absinth stolpere ich zur Toilette. Im Spiegel gafft mich eine einäugige Schildkröte an. Erst nach ein paar Grimassen merke ich, dass ich die Schildkröte bin. Ich kaufe ein Wasser und wanke zurück zur Bühne. Die eben noch so mitreißende Musik erscheint mir nun düster und bedrohlich. Und was diesen einen, steinalten Musiker auf der Bühne angeht, bin ich mir ganz sicher: Das ist mein Chef, der junge Seppelpe-ter!
»S' my boss!«, schreie ich Enrico an.
»No. It's a musician!«, lacht dieser.
»Nononono«, insistiere ich, »looks like a musician but in reality he is my boss!«
Ich kneife meine Augen zusammen und fixiere die Bühne. Die Sache ist klar für mich: Der junge Seppelpeter ist mir nachgereist, weil er davon Wind bekommen hat, dass ich nicht wieder auftauche an meinem Schreibtisch und nun spioniert er mich hier aus, lässt mich nicht aus den Augen, weil er Angst hat, dass ich heimlich alkoholfreies Bier braue in Argentinien und Kontakte zur Leberkäsmafia habe. Ich nehme einen letzten Schluck Absinth, stehe auf und reiße dabei den halben Tisch mit.
»Geh heim, Seppelpeter!«, schreie ich nach vorne, »des is kei Bamberch net, du ... du Schnitzelnazi!«
Enrico signalisiert mir, dass ich meine Klappe halten soll, doch ich denke gar nicht dran, den jungen Seppelpeter so leicht davonkommen zu lassen, und werfe eine Zitrone in Richtung Bühne.
»Schnitzelnazi, Schnitzelnazi, Schnitzelnazi!«
Dann packen mich Enrico und Francesco und setzen mich wieder hin.
»Coole downe, stronzo!«
Und dann spüre ich nicht nur das eine oder andere Augenpaar auf mich gerichtet, sondern auch eine Frauenhand auf meinem Rücken. Und ich höre, engelgleich, Heidis wundervolle Stimme.
»Pitschi, i glau mir solldad bessr gea!«
Heidi und ich teilen uns ein Taxi und ich sage dem Fahrer, dass ich Brasilianer bin. Wie ich am nächsten Tag erfahre, zahlen wir exakt deswegen den doppelten Preis. Offenbar ist das Verhältnis
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