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Resturlaub

Resturlaub

Titel: Resturlaub Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tommy Jaud
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Holztreppe verbirgt, die man neugierig erklimmt, immer den melancholischen Klängen der zunächst noch dumpf tönenden Musik folgend: ein ausladend dekorierter, wunderschöner Veranstaltungssaal, der so groß ist wie ein halbes Fußballfeld, angefüllt mit einer unglaublichen Zahl von tanzenden, trinkenden und lachenden Menschen. Die bestimmt zehn Meter hohen Wände sind bestückt mit den bizarrsten Gegenständen und Kunstwerken. Fast scheint es so, als habe man den Krempel aus über zwanzig Speichern einfach an die Wand getackert. Ein großes, von der Decke hängendes Stahlgeflecht aus bunten Glühlampen streut eine schummrig-heimelige Atmosphäre auf das Publikum. Die beiden Italiener und der Brasilianer aus meiner Gruppe sind ebenso beeindruckt wie ich. Wir finden einen kleinen Tisch in der Nähe der Bühne. Sogar Heidi hält für ein paar Minuten die Klappe, als eine achtköpfige Musikgruppe aus herausgeputzten Rentnern auf die Bühne tritt und unter dem tosenden Applaus des jungen Publikums zu musizieren beginnt. Ich schätze keinen der Musiker auf jünger als siebzig, es scheint, als sei der gesamte Buena Vista Social Club nach Argentinien geflohen, um hier noch einmal ganz von vorne anzufangen.
    La catedral, dieser Ort ist wahrlich eine seltsame Mischung aus linksalternativem Zirkus, Seniorenheim und Punkdisko. Das Faszinierendste für mich ist allerdings, dass all die jungen Paare tatsächlich Tango tanzen. Sie tanzen ihn in abgewetzten Jeans, schmutzigen Turnschuhen und mit zerzausten MTV-Frisuren. Und wie sie tanzen! Mit einer glühenden Leidenschaft, gegen die das ibizanische Techno-Gezappel wirkt wie eine lächerliche Kinderanimation in einem Zwei-Sterne-Ferienclub. Es ist Tango unplugged: keine Anzüge, keine Pomade, keine Lichteffekte. So voll von Eindrücken bin ich, dass ich für eine Weile selbst meine Heidi-Aggression vergessen habe.
    »Kannsch Dango danza?«, fragt sie mich.
    »Leider nicht«, gebe ich zu.
    »Mir kennat jo amol en Kurs beim Mondgsicht macha! Du stehsch do eh uff se!«
    »Sie heißt Luna!«, entgegne ich verärgert, »außerdem bin ich Grobmotoriker und kann nicht tanzen!«
    »Schad!«
    Ich bahne mir meinen Weg zu einer improvisierten Bar am anderen Ende der Halle und kaufe eine Literflasche Quilmes für unseren Tisch und mich. Noch immer ärgere ich mich über meine bescheuerte Wasseraktion. Immerhin ist es nur meiner eigenen Dämlichkeit zu verdanken, dass Luna nicht hier ist. Michel aus Lönneberga müsste für so einen Bockmist mindestens hundert Figuren schnitzen! Wie es Luna wohl geht? Ich verkrieche mich in ein etwas ruhigeres Eck der Halle, fische Lunas Zettel aus meiner Tasche und wähle ihre Nummer. Ich bin ein wenig aufgeregt, als es klingelt.
    »^Hola?«, höre ich Lunas Stimme.
    »Ich bin's, Peter.«
    »Hola, Peter!«
    »Ich wollte fragen, wie's dir geht. Wenn ich auf Deutsch darf ...?!?«
    »Jaja ... mach dir keine Sorgen, schon viel besser. Ihr seid schon da oder? Puedo oir musica.« »Alle da, keiner entführt oder ermordet worden bis jetzt«, sage ich und kann Luna lachen hören.
    »Die Schule wird mich also nicht verklagen?«
    »Glaube nicht. Es sei denn, ich geb Heidi noch ein paar XTC.«
    »Bitte nicht!«, lacht Luna und dann schweigen wir für einen kleinen Moment.
    »Okay«, sage ich. »Dann gute Besserung. Was heißt das auf Spanisch?«
    »jQue te mejores!«
    »jQue te mejores, Luna!«
    Und wieder höre ich nur ein leises Knacken in der Leitung.
    »Gracias. Muy amable. Y ... quiero preguntarte ... hast du eigentlich morgen schon was vor, am Tag?«
    Ich schlucke und taste nach der Mauer hinter mir, um mich anzulehnen.
    »Morgen? Nein! Nix vor. Warum?«
    »Wir können frühstücken gehen, wenn du magst, und ein bisschen durch die Stadt spazieren. Also wenn ich bis dahin wieder essen kann .«
    »Wahnsinnig gerne! Ich meine . sehr gerne! Also ziemlich gerne, also, wenn du wieder essen kannst!«
    »jDale! Sagen wir elf?«
    »Elf ist gut!«
    »Magst du amerikanisches Frühstück, Sandwiches, Muffins und so?«
    Ich würde auch einen Eimer indische Reisbrühe frühstücken, wenn Luna neben mir säße.
    »Ja, mag ich!«
    »Dann lass uns im Mark's Deli treffen, das ist El Salvador Ecke Armenia in Palermo, siehst du schon, hat so orangene Markisen.« »El Salvador und . was?«
    »El Salvador y Armenia. Um elf. Okay?«
    »Sehr okay! In Palermo. Orangene Markisen.«
    »Buenas noches, Peter!«
    »Buneas noches, Luna. Y ... jque te mejores!«
    Wie betäubt bleibe ich in

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