Resturlaub
erzählt. Am Anfang frage ich noch nach, wenn ich etwas nicht verstehe, dann lasse ich Goldhütchen einfach weiterplaudern über das Cafe Tortoni und wer hier nicht schon alles war, über Buenos Aires und ihre Tochter, zu der sie den Kontakt abgebrochen hatte. Pedros Vater war nämlich ein Gewerkschafter, ein echter Sauhund und gar kein guter Mensch. Erst jetzt, mit 73, wisse sie, dass es ein Fehler war, Pedros Mutter dafür zu verteufeln.
Um alleine diesen Teil ihrer Geschichte mit meinem Vamos a la playa-Spanisch zu begreifen, brauche ich eine gute Stunde. Ich glaube auch, dass ich nur deswegen fast alles verstehe, weil Susanna einige Teile mehrfach wiederholt und sich dabei regelrecht in Rage redet. Die mitleidigen Blicke der Nachbartische könnte ich als Bestätigung deuten. Und während Pedros Abuela plaudert und erzählt, trinke ich te in den unglaublichsten Geschmacksrichtungen, esse tablas de queso, churros und schließlich sogar ein bife de choriza. Noch während der tarta de limön schalte ich gesprächstechnisch auf Durchzug. Erst als der Goldhut sich mir gefährlich nähert und Abuela mir zuflüstert, dass Pedro sie hasst und dass er mich umbringen würde, wenn er erfährt, dass ich mich mit ihr getroffen habe, komme ich wieder zu mir.
»Jetzt echt? Ähh ... ^De verdad?«
»Si!«
Und dann, nach mehreren Stunden argentinischer Gewerkschaftsgeschichte, zwei Militärputschen, sieben Käsesandwiches und vier Gästewechseln am Nachbartisch verrät Abuela mir, warum sie sich mit mir getroffen hat. Einsamkeit ist es leider nicht. Vielmehr soll ich etwas für sie tun:
»Me gustaria tener una fotografia de Pedro!«
Ein Foto will sie also von ihrem Enkel. Nach zehn Jahren wisse sie gar nicht mehr, wie er aussieht. Ich sage, dass ich zufällig gerade kein aktuelles Foto von Pedro dabei habe und dass ich auch keines mitgehen lassen werde. Susanna zeigt sich verständnisvoll und reicht mir eine bunte Einwegkamera aus Pappe und einen frankierten Umschlag mit ihrer Adresse.
»jToma! Es tuya.«
»No!«, entgegne ich, weil ich nun wirklich keine Lust habe, heimlich Fotos von Tierfriseuren zu machen, um sie dann Omas mit Melonenpullover zu schicken. Tut mir Leid!
»Lo siento, abuela!«
An den Nachbartisch setzen sich zwei junge Frauen, beide sehr hübsch und mit modernen Klamotten. Vielleicht sind das ja Ariana und Baneza aus dem Handyspeicher? Ich hätte statt des ersten einfach den zweiten und den dritten Namen im Telefon nehmen können! Als ich das nächste Mal auf Susanna gucke, sehe ich, dass sie sich mit einer Serviette eine Träne aus dem Auge tupft. Es ist aber auch immer das Gleiche!
»jOkay!«, sage ich. »Aber solo one photo!«
Und dann zieht mich Abuela zu sich und umarmt mich, was sich anfühlt, als würde ich in einen großen, weichen und warmen Leberkäse gedrückt werden.
»jjjMuchisimas gracias!!!«
Mühsam winde ich mich aus der Umklammerung der glücklichen Oma, versuche zu lächeln und nehme Kamera und Umschlag an mich. Dabei ärgere ich mich schon jetzt, dass ich zugesagt habe. Pedros Oma besteht darauf, die Rechnung zu übernehmen, ich bedanke mich und frage, ob wir uns ein Taxi nehmen sollen. Doch zu meinem großen Entsetzen folgt weder ein si noch ein no, sondern ein äußerst schockiertes Gesicht.
»^Que dices?«
Ich wiederhole meine Frage, was nur zur Folge hat, dass Pedros Abuela noch entsetzter auf ihrem Stuhl herumwackelt.
»^En taxi?«
Ich nicke und dann bekomme ich die saftigste Ohrfeige meines Lebens. Und noch während ich mir verwirrt die Wange reibe, steht der Melonen-Goldhut zeternd auf, verlässt das Restaurant und lässt mich unter den erstaunten Blicken der übrigen Touristen sitzen. Ich hab nicht den geringsten Schimmer, was falsch sein soll an iPorque no cogemos en taxi? Erst eine Stunde später bei Stefano am Tresen erfahre ich die wahre Bedeutung meiner kleinen spanischen Frage.
Gabelmann
»SPITZ, PEDRO, echt spitz! Und dann noch so alt die Frau! Du musst dein Spanisch besser machen!« Stefano wischt sich japsend die Tränen aus den Augen, so sehr muss er lachen. Es ist nicht gerade ein Highlight im Leben, wenn man erfährt, dass man dank eines linguistischen Blackouts eine 73-jährige Oma gefragt hat, ob sie mit einem im Taxi vögeln will.
»Aber coger heißt doch nehmen, ich meine, ich hab das doch tausend Mal gesagt auf Mallorca!«
» Nehmen in Spanien, vögeln in Südamerika. Und en taxi heißt im Taxi und nicht ein Taxi! Coger en taxi - vögeln in die
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