Resturlaub
gentlemen«, rufe ich lautstark und mit großer Geste durch meine blutigen Taschentücher hindurch, »coming all the way from the toilets ... this iiiiiiiiiiiiiisssss Pitschiiiiiiiii Greulich!«
Zehn Minuten später legt Luna vor dem Hilton am Puerto Madero eine Vollbremsung hin. Inzwischen ist mir richtiggehend heiß, mein Herz rast und ein bisschen schwindelig ist mir auch. Das Schöne ist: All das ist mir scheißegal, weil ich Pitschi
Greulich bin, der geilste Typ in Südamerika. Trotzdem kapier ich nicht, warum meine Schnecke mich ausgerechnet vors Hilton fährt. Ich schaue erst auf Luna, dann auf den roten Teppich, auf dem wir gehalten haben, und schließlich auf einen verschlafenen Pförtner, der sich daranmacht, meine Tür zu öffnen.
»Was zum Teufel soll ich hier?«, frage ich Luna.
»Du wolltest nach Hause, dein Hemd wechseln und dann durch alle Clubs der Stadt ziehen!«
Ich starre wieder auf das Hilton-Schild, dann zu Luna.
»Natürlich! Bin gleich wieder da, Puppe!«
Luna schaut mich an, als wäre soeben ein grüner Dosen-Alien auf ihren Beifahrersitz gefallen. Sie wirkt - und das erkenne ich trotz der Synapsenparty in meinem Kopf - gar nicht glücklich. Aber warum? Ich bin's doch auch!
»Du hast alles genommen, oder?«, fragt sie mich.
Der Pförtner weicht diskret einen Schritt zurück.
»Aber hallo!«, antworte ich. »jPero hola! Verstehste? Gleich zurück!«
Nach einem leidenschaftlichen Kuss schwinge ich mich elegant aus dem Wagen und schreie mit nach oben gerissenen Armen »Finger in Po, Mexiko!«
Dann breche ich auf dem roten Teppich zusammen.
Entsetzt eilen sowohl der Pförtner als auch Luna zu Hilfe und nach wenigen Sekunden stehe ich wieder. Lunas Ton ist inzwischen einen Tacken bestimmter geworden.
»Okay, wir lassen die Sache mit den Clubs weg. Du holst dir frische Sachen und schläfst bei mir!«
»Frische Sachen. Bei dir schlafen. Alles klar, Puppe! Warte hier!«
»Und nenn mich nicht Puppe!« »Alles klar, Zuckermäuschen!«
Irgendwas stimmt nicht so ganz, als ich wie ein Hollywoodstar ins Foyer schreite und mich souverän lächelnd der Rezeption nähere. Der Rezeptionist ist so nett, es mir zu erklären.
»You do not have a room here, Mr. Greulich.«
»No?«
»No, I'm afraid! I'm sorry.«
»Not even a little one?«
»Not even a little one, Mr. Greulich.«
Okay.
Langsam macht alles Sinn.
Ich bin vielleicht auf Koks, aber deswegen muss mein kleines, aber geniales Lügengebäude ja noch lange nicht auseinander bröckeln. Ich brauche genau zwei Minuten und fünfzig Dollar, um den Rezeptionisten zu überreden, mir zwei Calvin-KleinUnterhosen, ein Boss-Hemd und eine Best-of-Billy-Ocean-CD aus der Boutique zu verkaufen. Währenddessen erkläre ich der politisch durchaus interessierten Putzfrau die Deutsche Einheit. Auf Spanisch. Ich bezahle 678 Dollar mit meiner Kreditkarte, setze mich wieder zu Luna in den Wagen und lege die Billy-Ocean-CD ein.
»Das sind deine Sachen?«, fragt sie mich.
»Yap! Meine Sachen. Wieso fragst du?«
»Weil sie . verpackt sind!«
Mit quietschenden Reifen und zu Billy Oceans »Dance with me, baby« fahren Luna und ich los. Ich bewege mich ziemlich gut zu Billy Ocean und das, obwohl ich sitze.
Den Rest der Nacht werde ich vergessen.
Und ich wache nur deswegen nicht bei Luna auf, weil ich gar nicht erst einschlafe.
Choreographie
IM ARGENTINISCHEN FERNSEHEN laufen nachts die gleichen beschissenen Quizshows wie bei uns. Und natürlich habe ich noch keinen einzigen centavo gewonnen, obwohl ich die richtige Lösung schon mindestens 100 Mal aufs Band gequatscht habe: 2,6 Kilo dulce de leche!
Und während ich mit meinem blutigen Hemd und weit aufgerissenen Augen noch immer auf Lunas Couch sitze und Bier trinke, fallen die ersten Sonnenstrahlen auf die Dächer der Gebäude gegenüber. Eine neue Woche will sich in mein zerbrechliches, neues südamerikanisches Leben schleichen und noch habe ich keine Ahnung, was ich davon halten soll. Mühsam stehe ich auf und schleiche in Lunas Schlafzimmer: umhüllt von einem weißen Laken schlummert die geheimnisvolle Schönheit vor sich hin. Ich kenne sie überhaupt nicht, denke ich mir, und je länger ich ihre kühle Makellosigkeit mit meinem warmen Bier in der Hand betrachte, desto mehr wird Luna Teil eines bizarren Traumes. Es ist kurz nach sechs, als ich die Tür leise hinter mir zuziehe und in einen klaren, bitterkalten Morgen trete.
Mit mir erwacht die Stadt. Die ersten Sonnenstrahlen spiegeln sich
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