Resturlaub
vor ihnen stehe, werde ich zunächst von Kopf bis Fuß gemustert und danach derart überschwänglich begrüßt, als würde man mich schon seit zehn Jahren kennen. Dass Luna mich ihren Freunden ausgerechnet mit meiner Lügengeschichte vorstellt, ich wäre mit meiner PR-Firma so reich geworden, dass ich nie mehr arbeiten müsste, trägt nicht dazu bei, dass ich mich wohler fühle. Roberta, eine geliftete Enddreißigerin mit übergroßer Prada-Brille, reicht mir respektvoll ein Glas Champagner.
»Wow! So you spend your time spending money?«
Ich nicke schüchtern.
»Yes. It's like this!«
»Spending money all the time!«, feixt Yannes, ein aufgedrehter, dürrer Snob mit langen, blonden und vor allem gegelten Haaren, »Lucky Luna! This man is a dream, isn't he?«
Ich habe keine Ahnung, ob Lunas Freunde mich tatsächlich so toll finden. Ich glaube ihnen nämlich kein einziges Wort. Nervös lasse ich meinen Blick durch den Raum schweifen und reduziere den Kontakt mit Lunas Freunden auf das Nötigste. Dann kommen glatte, schwarze Steinplatten, von denen wir Sushi und Surimi naschen, selbstverständlich die Besten der Welt, wie Stefanie, eine filigrane Frau mit Püppchengesicht und Szenefrisur, mehrfach betont. Als die Gespräche nach einer halben Stunde immer noch um Polo und die besten Clubs in Punta del Este kreisen, entschuldige ich mich kurz, um auf die Toilette zu gehen. Luna folgt mir und »stellt« mich kurz hinter dem Sichtschutz.
»jNo te vayas! Alles klar mit dir, Süßer?«
»Alles klar«, lüge ich.
»Bisschen anstrengend die drei, oder?«
Ich zucke mit den Schultern.
»Vielleicht?«
»Du Süßer«, lächelt Luna und umarmt mich liebevoll. »Sie finden dich jedenfalls toll!«
»Gut!«
»Hier«, zwinkert mir Luna zu und schiebt mir ein kleines Briefchen in die Hosentasche, »vielleicht macht das meine Freunde ein bisschen erträglicher.«
Der Inhalt des Briefchens, den ich in der Kabine des dezent beleuchteten Herrenklos auspacke, ist weiß und pulvrig. Ich schmecke kurz daran, weil ich das oft im Fernsehen gesehen habe, aber natürlich bringt es mir nichts, weil ich ja gar nicht weiß, wie Koks schmeckt. Ich fühle mich ein wenig seltsam, wie ich mit meinem Pulverbriefchen auf der Marmortoilette sitze, den fremden Stimmen und dem wellenartig von der Bar hereinschwappenden Klangbrei lausche. Mein argentinisches Handy piept zweimal, es ist eine Kurzmitteilung von Pedro.
Hey, cleaning man, thought you here tonight. I spoke to my uncle from Isenbeck and he wants to meet you Tuesday. Pedro.
Eine Einladung zu einem Bewerbungsgespräch bei Isenbeck! Das ist ja Weltklasse! Ich sollte mich freuen. Aber ich kann nicht. Warum?
Ich bin in Buenos Aires, nachweislich ziemlich groß und ziemlich weit weg! Ich bin in coolen Clubs unterwegs mit schicken Leuten! Ich habe sensationellen Sex mit einem echten Model! Ich hab womöglich bald einen Job hier! Ich hab sogar Drogen in der Hand!
Ich streue das Pulver auf meinen Handrücken, halte mir das linke Nasenloch zu und ziehe die Hälfte davon in meine Nase. Es fühlt sich exakt so an, wie das Chimichurri in meinem Hintern, nur dass mein Hintern nun auf dem Hals sitzt. Ich schließe kurz die Augen, dann halte ich mir das andere Nasenloch zu und sauge den gesamten Rest weg.
So.
Wollen wir doch mal sehen, ob ich nicht gleich glücklich werde.
Einundzwanzig, zweiundzwanzig .
Viel passiert nicht.
Oder doch?
Dreiundzwanzig, vierundzwanzig .
Nee.
Ist ja auch erst fünfundzwanzig Sekunden her!
Ich stehe auf und öffne die Klotür.
Mein Gaumen fühlt sich ein wenig pelzig an, als ich mir die Hände wasche, außerdem wird mir warm. Als ich mir die Hände abtrockne, fällt ein winziger Tropfen Blut auf den weißen Marmor. Hastig ziehe ich einen Packen Papierhandtücher aus dem Spender und halte sie vor meine Nase, um die Blutung zu stoppen. Schon toll, dass die einzige Wirkung von Kokain darin besteht, dass man sich Papier vors Gesicht halten muss, denke ich mir, und reiße eine Extraportion Papier aus dem Spender. Eine Extraportion Papier für den besten Typen hier. Ich sollte die ganze Scheißbar kaufen und das widerwärtige Polopack vor die vergoldete Tür setzen. Warum? Weil ich's kann! Und das Nasenbluten interessiert auch keine Sau! Ich stecke mir zwei Papiertücher in die Nase, rücke meinen Hemdkragen zurecht und schwebe lächelnd zurück zu meinem Vogue-Model, das mit seinem geleckten Schmockgesindel schon wieder an der Bar klebt.
»Ladies and
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