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Rette mich vor dir

Rette mich vor dir

Titel: Rette mich vor dir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tahereh H. Mafi
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man sie früher an Ostern kaufen konnte – eine süße Hülle, die eine leere Welt umgibt. So bin ich.
    Ich bestehe innen aus Nichts.
    Alle hier hassen mich. Die zarten Freundschaftsbande, die ich zu knüpfen begann, sind jetzt zerstört. Kenji hat mich satt. Castle ist enttäuscht, angewidert, sogar wütend. Seit meinem Eintreffen hier habe ich nur Probleme verursacht, und der eine Mensch, der immer nur das Gute in mir sehen wollte, bezahlt dafür jetzt womöglich mit seinem Leben.
    Der eine Mensch, der es jemals gewagt hat, mich zu berühren.
    Oder vielmehr: einer von zweien.
    Mir fällt auf, dass ich zu viel an Warner denke.
    Ich erinnere mich an seine Augen und seine sonderbare Freundlichkeit und sein grausames, berechnendes Verhalten. An den Blick, den er mir zuwarf, als ich aus dem Fenster sprang, um zu flüchten, und an das Grauen auf seinem Gesicht, als ich die Pistole auf sein Herz richtete, und dann frage ich mich, weshalb mich jemand beschäftigt, der so anders ist als ich und mir doch so ähnlich.
    Ich frage mich auch, ob ich ihm bald wieder begegnen werde und wie er mich dann begrüßen wird. Ich habe keine Ahnung, ob ihm noch daran liegt, mich am Leben zu erhalten, nachdem ich ihn umbringen wollte. Und ich habe keine Ahnung, weshalb ein 19-jähriger Mensch ein so abscheuliches, böses Leben führt. Dann wird mir bewusst, dass ich mich selbst belüge. Weil ich es sehr wohl weiß. Weil ich möglicherweise der einzige Mensch bin, der Warner jemals verstehen wird.
    Das nämlich habe ich in Erfahrung gebracht:
    Dass er – wie ich – eine gequälte Seele ist, die niemals die Wärme von Freundschaft, Liebe, einem friedlichen Zusammenleben kannte. Dass sein Vater der Anführer des Reestablishment ist und die Morde seines Sohnes feiert, anstatt sie zu verdammen. Und dass Warner nicht weiß, wie sich Normalität anfühlt.
    Ebenso wenig wie ich.
    Wie sein Vater versucht er die Welt zu beherrschen, ohne dieses Ziel zu hinterfragen, ohne die Folgen zu bedenken, ohne sich den Wert eines Menschenlebens bewusst zu machen. Seine gesellschaftliche Stellung und seine Macht ermöglichen ihm, viel Schaden anzurichten, und er tut es mit Stolz. Er tötet ohne Reue und Bedauern und will mich an seiner Seite wissen. Er sieht mich, wie ich bin, und wünscht sich, dass ich mein Potential nutze.
    Bedrohliches monströses Mädchen, dessen Berührung tödlich ist. Erbärmliches, klägliches Wesen, das der Welt nichts anderes zu geben hat. Taugt nur als Waffe, als Folterwerkzeug und Machtmittel. So will er mich.
    Und inzwischen bin ich mir nicht mehr sicher, ob Warner nicht Recht hat. Für mich gibt es keine Gewissheiten. Ich bin mir nicht mehr sicher, woran ich geglaubt habe, und ich weiß nicht mehr, wer ich bin. Warners Stimme raunt in meinem Kopf, versucht mir einzureden, dass ich viel mehr sein könnte, dass ich stärker, dass ich alles sein könnte – dass ich kein ängstliches kleines Mädchen mehr sein muss.
    Mächtig könnte ich sein, raunt die Stimme.
    Doch noch zögere ich.
    Denn das Leben, das er mir anbietet, lockt mich nicht. Es gefällt mir nicht. Ich will niemandem vorsätzlich weh tun. Ich habe keine Freude daran. Und selbst wenn die Welt mich hasst, wenn alle Menschen mich hassen, will ich mich nicht an einem unschuldigen Menschen vergreifen. Sollte ich getötet, im Schlaf ermordet werden, so will ich zumindest mit einem Rest Würde sterben. Mit einem Anteil Menschlichkeit in mir, der zu mir gehört, über den ich nach Belieben verfügen kann. Den mir niemand wegnehmen wird. Dafür werde ich sorgen.
    Deshalb darf ich nicht vergessen, dass Warner und ich in 2 unterschiedlichen Welten leben.
    Wir sind Synonyme, aber nicht gleich.
    Synonyme kennen sich so gut wie alte Kollegen, wie Freunde, die viel zusammen erlebt haben. Sie erzählen Geschichten aus ihrem Leben, erinnern sich an ihre gemeinsame Vergangenheit und vergessen dabei, dass sie zwar ähnlich, aber nicht gleich, dass sie trotz ähnlicher Eigenschaften nicht identisch sind. Denn ruhig ist nicht gleich still, entschieden ist nicht gleich entschlossen, und hell ist nicht gleich strahlend. Es kommt ganz darauf an, wie diese Wörter in einen Satz eingefügt werden.
    Sie sind nicht austauschbar.
    Ich habe mein ganzes Leben darum gekämpft, mich zu bessern. Stärker zu werden. Denn im Gegensatz zu Warner möchte ich nicht Angst und Schrecken in dieser Welt verbreiten. Ich möchte niemandem Leid antun.
    Ich will meine Kräfte nicht benutzen, um jemanden zu

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