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Rette mich vor dir

Rette mich vor dir

Titel: Rette mich vor dir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tahereh H. Mafi
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Wochen versprochen habe, wenn es ihm besser ginge, wenn er geheilt sei, würde ich jeden Zentimeter seines Körpers mit meinen Lippen erforschen.
    Jetzt scheint mir ein guter Zeitpunkt, um dieses Versprechen einzulösen.
    Ich beginne bei seinem Mund, wandere zu seinen Wangen, seinem Kinn, über seinen Hals zu seinen Schultern und Armen. Seine Hände streifen über meinen Anzug, der anliegt wie eine zweite Haut, und Adams Haut ist so heiß, er versucht so angestrengt, still zu halten, aber ich höre sein Herz pochen, zu laut, zu schnell, in seiner Brust.
    An meiner Brust.
    Meine Lippen berühren den weißen Vogel auf seiner Haut, das eingeritzte Bild dieser Vision, die ich vermutlich niemals wirklich erleben werde. Diesen Vogel. Weiß, mit goldenen Federn auf dem Kopf wie eine Krone.
    Er wird fliegen.
    Vögel fliegen nicht, behaupten die Wissenschaftler, aber wir wissen, dass es früher anders war. Ich wünsche mir so sehr, diesen Vogel eines Tages zu sehen. Ihn zu berühren. Ich will ihm zusehen, wie er wirklich fliegt.
    Ich küsse seine gelbe Krone, die in Adams Brust geritzt ist. Ich höre Adams rauen Atem.
    »Ich liebe diese Tätowierung«, raune ich, blicke auf, schaue ihm in die Augen. »Seit wir hier sind, habe ich sie nicht mehr gesehen. Seit wir hier sind, habe ich dich nicht mehr mit nacktem Oberkörper gesehen. Schläfst du immer noch so?«
    Adams Antwort ist ein seltsames Lächeln, als amüsiere er sich über einen heimlichen Scherz.
    Er nimmt meine Hand von seiner Brust und zieht mich hoch, so dass wir uns in die Augen schauen. Löst das Band aus meinen Haaren, lässt die kastanienbraunen Wellen frei, die sich nur zu gern über meine Schultern ergießen, und obwohl ich keinen Luftzug gespürt habe, seit ich hier unten lebe, fühlt es sich an, als fege Wind durch meinem Körper; er pustet in meine Lunge, bläst in mein Blut, vermengt sich mit meinem Atem, raubt ihn mir.
    »Ich kann nicht mehr schlafen«, sagt Adam so leise, dass ich ihn kaum hören kann. »Es ist einfach nicht richtig, dass ich nachts ohne dich sein muss.« Seine linke Hand spielt mit meinem Haar, die rechte hält mich fest. »Gott, ich habe dich so sehr vermisst«, raunt er mit rauer Stimme an meinem Ohr. »Juliette.«
    Ich
    stehe
    in
    Flammen.
    Wie Schwimmen in Zuckersirup ist dieser Kuss, wie Eintauchen in flüssiges Gold, wie Treiben in einem Ozean von Empfindungen, und die Wellen sind so wild, dass ich nicht mehr spüre, wie ich ertrinke, und dass alles andere gleichgültig ist. Meine Hand, die nicht mehr zu schmerzen scheint, dieser Raum, in dem ich fremd bin, dieser Krieg, in dem wir kämpfen sollen, meine Sorgen, wer oder was ich bin und was aus mir werden soll.
    Nur der Kuss ist wichtig.
    Einzig und allein.
    Dieser Moment. Diese Lippen. Dieser kraftvolle Körper, diese festen Hände, die mich halten, und ich will noch so viel mehr, will alles, will die Schönheit dieser Liebe mit den Fingerspitzen spüren und den Handflächen und jeder Faser und jedem Knochen.
    Ich will ihn ganz und gar.
    Meine Hände sind in seinen Haaren, und ich ziehe ihn an mich, immer näher, bis er auf mir liegt, und er hebt den Kopf, um Luft zu holen, doch ich reiße ihn wieder herunter, küsse seinen Hals, seine Schultern, seine Brust, streichle seinen Rücken und seine Hüften, und es ist unfassbar, wie viel Energie ich spüre, diese unglaubliche Kraft, die mir zufließt, nur weil ich mit ihm zusammen bin, ihn berühre, ihn umschlinge. Prickelnde Kraft durchströmt mich, die mich so lebendig macht, so euphorisch, dass ich mich verjüngt fühle, irreal, unverletzbar –
    Ich reiße mich los.
    Stoße Adam weg, so hastig, dass ich vom Bett falle und mit dem Kopf auf den Steinboden knalle, und ich schwanke, als ich mich aufrapple und auf Adams Stimme horche, aber nur die schwachen, stockenden Atemzüge höre, die ich zu gut kenne, und ich kann nicht klar denken, ich kann nichts mehr sehen, alles ist verschwommen, und ich kann nicht, ich will nicht glauben, dass dies wirklich geschieht –
    »J-Jul –« Er versucht zu sprechen. »I-ich k-ka –«
    Und ich falle auf die Knie.
    Schreie.
    Schreie so, wie ich in meinem ganzen Leben noch nie geschrien habe.

15
    Ich zähle alles.
    Sogar Zahlen, ungerade Zahlen, multipliziert mit 10. Ich zähle das Ticken der Uhr ich zähle das Tacken der Uhr ich zähle die Linien zwischen den Linien auf einem Blatt Papier. Ich zähle die gebrochenen Schläge meines Herzens ich zähle meinen Puls und mein Blinzeln und die Versuche,

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