Rette mich
bog auf die Straße ein und schoss dann vorwärts auf die Kreuzung vor uns. An der Ecke stand ein Stoppschild, aber der Tahoe wurde nicht langsamer. Ich fragte mich gerade, ob Jev wenigstens bei dem Stoppschild die Vorfahrt beachten würde, während ich mich mit beiden Händen an den Haltegriff über meiner Tür klammerte, als eine dunkle Silhouette vor uns auf die Fahrbahn torkelte. Der Montierhebel, der in Gabes Rücken steckte, war in einem grausigen Winkel verbogen; in dem nebligen Licht sah er aus wie ein gebrochenes Körperglied. Ein zerschmetterter Flügel.
Jev stieg aufs Gaspedal und legte einen höheren Gang ein. Der Wagen sprang vorwärts und gewann an Geschwindigkeit. Gabe war zu weit weg, als dass ich seinen Gesichtsausdruck hätte erkennen können, aber er bewegte sich nicht. Er bückte sich, hockte sich hin, mit ausgestreckten Armen, als glaubte er, er könnte uns aufhalten.
Ich griff nach dem Sicherheitsgurt. »Du wirst ihn überfahren!«
»Er wird aus dem Weg gehen.«
Mein Fuß trat auf ein eingebildetes Bremspedal. Die Entfernung zwischen Gabe und dem Tahoe wurde schnell kleiner. »Jev! Halt – sofort – an!«
»Auch das hier wird ihn nicht umbringen.«
Er beschleunigte den Tahoe noch weiter. Und dann geschah alles zu schnell.
Gabe sprang, flog durch die Luft auf uns zu. Er prallte auf die Windschutzscheibe, das Glas zersplitterte zu einem gitterartigen Netz. Einen Augenblick später flog er außer Sicht. Ein Schrei füllte den Wagen, und ich erkannte, dass es meiner war.
»Er ist auf dem Auto«, sagte Jev. Er fuhr mit Vollgas auf den Kantstein, pflügte über eine Bank auf dem Fußweg und fuhr unter einem tief hängenden Baum hindurch. Dann riss er das Lenkrad scharf nach links und steuerte zurück auf die Straße.
»Ist er heruntergefallen? Wo ist er? Ist er immer noch da oben?«
Ich drückte mein Gesicht an die Scheibe und versuchte nach oben zu sehen.
»Halt dich fest.«
»Woran?«, rief ich und fasste wieder nach dem Haltegriff.
Ich spürte die Bremse nicht. Aber Jev musste darauf getreten haben, weil der Tahoe sich nämlich einmal um sich selbst drehte, bevor er quietschend zum Halten kam. Meine Schulter war gegen den Türrahmen geknallt. Aus dem Augenwinkel sah ich, wie eine dunkle Masse durch die Luft flog und mit katzenartiger Grazie auf dem Boden landete. Gabe blieb einen Augenblick da hocken, mit dem Rücken zu uns.
Jev legte den ersten Gang ein.
Gabe sah über die Schulter zurück. Sein Haar klebte an den Seiten seines Gesichts, ein Schweißfilm hielt es dort fest. Seine Augen trafen auf meine. Sein Mund verzog sich teuflisch nach oben. Er sagte etwas, genau in dem Moment, als der Tahoe sich in Bewegung setzte, und obwohl ich kein einziges Wort anhand seiner Lippenbewegungen ausmachen konnte, war seine Nachricht doch klar. Es ist noch nicht vorbei.
Ich drückte mich nach hinten in meinen Sitz, atmete tief aus und ein, während Jev auf eine Art und Weise davonraste, die, da war ich mir sicher, auf der Straße eintätowierte Reifenspuren zurückließ.
Zehn
J ev fuhr nur fünf Blocks weit. Es dämmerte mir etwas zu spät, dass ich ihn hätte bitten sollen, mich zu Coppersmith’s zu fahren. Er hatte sich für das Dunkel der Nebenstraßen entschieden. Er lenkte den Tahoe auf den Randstreifen einer friedlichen Landstraße, die kilometerweit von Bäumen und Maisfeldern gesäumt war.
»Findest du von hier aus nach Hause?«, fragte er.
»Du willst mich einfach hier absetzen?« Aber die Frage, die mir wirklich durch den Kopf, ging, lautete: Warum hatte Jev, vermutlich einer von ihnen, sich von ihnen distanziert, um mich zu retten?
»Wenn du dir um Gabe Sorgen machst: Vertrau mir, er hat gerade andere Dinge im Kopf, als dich ausfindig zu machen. Er wird überhaupt nicht viel tun, bevor er nicht den Montierhebel aus sich herausbekommen hat. Ich bin überrascht, dass er die Kraft hatte, uns so weit zu verfolgen. Und sogar wenn er dann draußen ist, wird er etwas haben, was ich nur als einen Mordskater beschreiben kann. Er wird in den nächsten Stunden zu nichts anderem Lust haben, als zu schlafen. Wenn du auf den perfekten Augenblick wartest, um loszurennen, dann wirst du keinen besseren finden.«
Als ich mich immer noch nicht rührte, zeigte er mit dem Daumen dorthin zurück, wo wir hergekommen waren. »Ich muss dafür sorgen, dass Dominic und Jeremiah von da verschwinden.«
Ich wusste, er wollte, dass ich seiner Empfehlung folgte, aber ich war nicht überzeugt.
»Warum
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