Rette mich
massierte sich den Hals. »Kenn ich dich? Ich weiß, dass du ein gefallener Engel bist – ich kann deine Macht geradezu fühlen. Das heißt, dass du, bevor du gefallen bist, ziemlich hoch oben gewesen sein musst. Vielleicht warst du sogar ein Erzengel. Aber das interessiert mich nicht; was ich wissen will, ist, ob wir uns schon einmal begegnet sind.« Es schien eine Fangfrage zu sein, die der Nephilim stellte, damit er Jev irgendwann später finden könnte, aber Jev ging nicht in die Falle.
»Noch nicht«, sagte er. »Ich werde es mit der Vorstellung kurz halten.« Er versenkte seine Faust in die Eingeweide des Nephilim. Der Mund des Nephilim war immer noch zu einem O geöffnet, als er auf die Knie fiel und erschlaffte.
Jev drehte sich zu mir um. Ich erwartete, dass er von mir wissen wollte, warum ich nicht in der Gasse geblieben war, wie wir es ausgemacht hatten, und wie ich in die jetzige Begleitung geraten war, aber er wischte einfach nur einen Flecken Erde von meiner Wange und knöpfte die beiden obersten Knöpfe meiner Bluse zu.
»Alles in Ordnung?«, fragte er leise.
Ich nickte, spürte aber, wie mir langsam Tränen in die Augen traten.
»Lass uns verschwinden«, sagte er.
Diesmal widersprach ich nicht.
Neunzehn
I ch lehnte den Kopf an die Scheibe, während Jev fuhr, und blieb still. Er hielt sich auf Seiten- und Nebenstraßen, aber ich hatte eine ungefähre Ahnung, wo wir waren. Noch ein paar Kurven, und ich wusste es genau. Der Eingang zum Delphic Vergnügungspark lag vor uns, imposant und skelettartig. Jev bog auf den leeren Parkplatz ein. Vor vier Stunden hätte er sich noch glücklich schätzen können, einen Parkplatz zu finden, der auch nur halb so dicht am Eingang lag.
»Was wollen wir hier?«, fragte ich und setzte mich gerader hin.
Er stellte den Motor ab und zog eine dunkle Augenbraue hoch. »Du hast gesagt, du wolltest mit mir sprechen.«
»Ja, aber dieser Ort hier ist …« Leer .
Ein hartes Lächeln umspielte seinen Mund. »Weißt du immer noch nicht, ob du mir vertrauen kannst? Und warum Delphic? Sagen wir einfach, weil ich sentimental bin.«
Vielleicht hätte ich das verstehen müssen, aber ich tat es nicht. Ich folgte ihm zu den Toren und sah, wie er sich mit Leichtigkeit hinüberschwang. Auf der anderen Seite schob er das Tor gerade weit genug auf, damit ich hindurchgehen konnte.
»Können wir hierfür ins Gefängnis kommen?«, fragte ich. Und wusste, dass es eine dumme Frage war. Falls wir erwischt würden, natürlich.
Aber weil Jev aussah, als wüsste er, was er tat, folgte ich ihm. Über dem Laternenlicht ragte eine Achterbahn über dem Park auf. Ein Bild blitzte durch mein Bewusstsein und ließ mich einen Moment lang innehalten. Ich sah, wie ich aus dem Wagen im freien Fall herausgeschleudert wurde. Ich schluckte und wischte das Bild mit der Ausrede weg, dass es etwas mit meiner Höhenangst zu tun haben musste.
Von Minute zu Minute wurde mir unheimlicher. Nur weil Jev dreimal meine Haut gerettet hatte, bedeutete das ja nicht, dass es eine gute Idee war, mit ihm allein zu sein. Ich nahm an, dass mich die Hoffnung, Antworten zu bekommen, hierhergebracht hatte. Jev hatte mir versprochen, dass wir uns aussprechen würden, und die Versuchung war zu groß gewesen, um ihr zu widerstehen.
Schließlich ging Jev langsamer, bog vom Bürgersteig ab und blieb vor einem verfallenen Wartungsschuppen stehen. Er wurde auf einer Seite von der Achterbahn überschattet und auf der anderen Seite von einem enormen Riesenrad. Der niedrige Bau war das Letzte, wo man hinsehen würde.
»Was ist in der Baracke?«, fragte ich.
»Mein Zuhause.«
Zuhause? Entweder hatte er Sinn für Humor, oder er setzte gerade neue Maßstäbe für den Begriff des einfachen Lebens. »Prächtig.«
Ein listiges Lächeln trat auf seine Miene. »Ich habe Stilfragen der Sicherheit geopfert.«
Ich betrachtete die verwitterte Farbe, das durchhängende Vordach und die papierdünne Bauweise. »Sicher? Ich könnte wahrscheinlich die Tür eintreten.«
»Sicher vor den Erzengeln.«
Bei dem Wort spürte ich einen Anflug von Panik. Ich erinnerte mich an meine letzte Halluzination. Hilf mir, die Kette eines Erzengels zu finden, hatte Hank gesagt. Die Übereinstimmung prickelte unangenehm unter meiner Haut.
Jev steckte den Schlüssel ins Schloss, öffnete die Schuppentür und hielt sie mir auf.
»Wann darf ich etwas über die Erzengel erfahren?«, fragte ich. Ich hörte mich aalglatt an, aber meine Nerven ruinierten gerade
Weitere Kostenlose Bücher