Rettende Engel (German Edition)
schon 40 und kleidest dich immer noch wie ein Berufsjugendlicher aus dem vorigen Jahrhundert. So findest du keine Frau.”
„Und da sind wir schon”, sagte Kaha, der wusste, dass er es Chris am besten heimzahlen konnte, indem er seine Sticheleien ignorierte. „Dritter Stock.” Er klingelte mehrmals energisch.
Schließlich betätigte jemand den Türöffner.
„Natürlich ist der Aufzug kaputt”, seufzte Chris.
Wie sich herausstellte, hätten sie sich den Weg sparen können. Zwar ließ Nadine Marewski sie bereitwillig in die Wohnung, doch ihr Mann schlief tief und fest und laut schnarchend. Die Weckversuche der beiden Polizisten bewirkten wenig. Marewski lallte etwas Unverständliches und drehte sich auf die andere Seite. Seine verquollenen Augen blieben die ganze Zeit fest geschlossen.
„Mann, der stinkt wie eine ganze Kneipe”, sagte Chris und trat den Rückzug aus dem Schlafzimmer an.
„Tschuldigung”, fügte er an Nadine Marewski gewandt hinzu.
„Wenigstens schläft er endlich”, sagte diese. Die Erleichterung in ihrer Stimme erinnerte an die einer jungen Mutter nach einer schlaflosen Nacht. Das hätte komisch gewirkt, wenn nicht eine gelbliche Färbung rund um das rechte Auge der Frau, sowie verschiedene blaue Flecke an ihren Unterarmen, die aus einem zu großen T-Shirt hervorragten, Anzeichen dafür gewesen wären, dass sie für ihre Erleichterung gute Gründe hatte.
„Hast du so ein Kärtchen dabei?”, fragte Kaha seinen Kollegen.
Der hatte schon zwei Karten aus seiner Jackentasche hervorgezogen. „Hier”, sagte er zu der Frau, die ihn ängstlich anschaute, „das ist die Telefonnummer vom Frauenhaus. Die helfen Ihnen. Und das ist die Nummer von der zuständigen Abteilung bei uns, falls Sie Anzeige erstatten wollen.”
„Wenn Sie schlau sind, warten Sie nicht zu lange”, fügte Kaha hinzu.
Nadine Marewski sagte nichts. Sie blickte zu Boden und ließ die Kärtchen, ohne sie anzuschauen, in der Tasche ihrer Jogginghose verschwinden.
„Sagen Sie Ihrem Mann, dass wir ihn um 9.00 Uhr sprechen wollen. Mein Name und die Adresse stehen hier drauf.” Kaha gab ihr seine Karte.
Endlich blickte Nadine Marewski auf. Mit schreckgeweiteten Augen sah sie Kaha an: „Können Sie nicht bitte anrufen und ihm das selbst sagen? Wenn die Polizei mit ihm sprechen will, macht ihn das bestimmt total wütend.”
7
Chris riss seinen Mund auf und verzog das Gesicht zu einem gewaltigen Gähnen. Rings um sie herum war alles still – wie an einem ganz normalen Morgen um kurz nach vier Uhr in einem der gepflegteren Vororte zu erwarten. Sie hatten kein Problem gehabt, für ihre beiden Autos Parkmöglichkeiten an der ruhigen, offenbar wenig befahrenen Straße zu finden.
Kaha betrachtete seinen Kollegen stirnrunzelnd, doch dann sagte er: „Danke, dass du mitgekommen bist.”
„Kein Problem. Partner und so”, murmelte Chris. So einen Gefühlsausbruch war er von Kaha gar nicht gewöhnt. Als Dienstälterer hatte dieser traditionsgemäß die Aufgabe, den Eltern der Ermordeten die traurige Nachricht zu überbringen.
Chris gähnte noch einmal herzhaft. Dann schüttelte er kurz den Kopf, riss die Augen auf und sagte: „Es nützt ja nichts.” Er drückte die Klingel neben dem Schild mit der Aufschrift Neumann .
Hans und Inge Neumann machten es den Kommissaren leicht. Fast schienen sie mit einer solchen Nachricht gerechnet zu haben. Still saßen sie auf dem hellbraunen Ledersofa nebeneinander, während Kaha und Chris, die auf zwei Sesseln Platz genommen hatten, ihnen so schonend wie möglich beibrachten, was ihrer Tochter zugestoßen war.
Als Kaha seinen Bericht beendet hatte, starrte Hans Neumann stumm auf seine Hände, die er wie zum Gebet gefaltet hatte.
Seine Frau sprang auf und sagte: „Ich habe Ihnen ja noch gar nichts angeboten. Ich koche schnell einen Kaffee.”
„Lassen Sie nur”, sagte Chris, aber Inge Neumann war schon aus dem Raum geeilt.
Als ob die drei Männer sich abgesprochen hätten, schwiegen sie, während sie auf die Rückkehr von Rena Karsts Mutter warteten. Jeder hing seinen eigenen Gedanken nach.
Kurze Zeit später stellte Inge Neumann ein Tablett mit zwei mit Kaffee gefüllten Tassen sowie Milch und Zucker vor den beiden Kommissaren auf den Couchtisch. Ihre Augen waren verweint. „Ich wusste nicht, ob Sie Ihren Kaffee schwarz trinken”, begann sie, doch dann versagte ihre Stimme.
„Ich hätte da eine Frage”, sagte Hans Neumann und blickte auf. „Was geschieht
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