Retter eines Planeten - 16
es bei unserer Rückkehr wieder vorzufinden. Dann überlegte ich, was nun zu tun war. Regis, Rafe und ich waren vollkommen durchnäßt, die anderen bis über die Knie. In dieser Höhe war das gefährlich, wenn wir auch nicht mit Erfrierungen zu rechnen brauchten. Waldmänner oder nicht — wir mußten in erster Linie dafür sorgen, daß wir unsere Kleider an einem Feuer trocknen konnten.
„Dort oben ist eine Lichtung“, sagte ich, deutete hinauf und ging den anderen voran.
Wir hatten nun Fels vor uns. Es gab Stellen, wo wir mühsam nach jedem Handgriff suchen und uns dann platt an den fast senkrechten Fels pressen mußten. Je höher wir kamen, desto schärfer wurde der Wind, der aus den dichten Wäldern blies, über den nackten Fels fegte und durch unsere nassen Kleider biß. Kendricks tat sich jetzt ziemlich schwer, und ich half ihm, so gut ich konnte, aber ich fror ganz entsetzlich. Endlich hatten wir die Lichtung erreicht. Es war ein kleiner, kahler Fleck, eher eigentlich noch ein unbedeutender Vorgipfel. Die zwei trockensten Darkovanerbrüder suchten Holz für ein Feuer zusammen. Es war erst Nachmittag, und bis zum Sonnenuntergang hatten wir noch ein paar Stunden. Bis unsere Kleider aber trocken waren und wir wieder aufbrechen konnten, war es zu spät, ein anderes Nachtlager zu suchen, und so gab ich Anweisung, hier das Zelt aufzubauen. Erst jetzt wandte ich mich zornig an Kyla: „So gefährliche Tricks wirst du nicht noch mal probieren, wenn ich es nicht ausdrücklich anordne!“ „Sei nicht so böse mit ihr“, warf Regis Hastur ein. „Ohne das feste Seil wären wir nie über die Schlucht gekommen. Du hast gut gearbeitet, Mädchen.“ „Du hältst dich hier heraus!“ fauchte ich. Es stimmte, was er gesagt hatte, aber es hatte mich noch wütender gemacht, weil Kylas Gesicht unter Regis’ Lob aufglühte.
Unbestreitbare Tatsache war, daß ein Leichtgewicht wie Kyla an einer Seilbrücke geringeren Gefahren ausgesetzt war als in einem reißenden Bergbach. Mein Zorn ließ sich mit dieser Erkenntnis nicht besänftigen. Im Gegenteil — Regis Hasturs Lob und des Mädchens glückliches Lächeln ließen ihn überkochen.
Ich wollte sie eigentlich noch nach den Waldmännern ausfragen, die sie gesehen hatte, doch dann beschloß ich, es zurückzustellen. Da man uns an den Wasserfällen nicht angegriffen hatte, handelte es sich vielleicht gar nicht um eine feindliche Gruppe, sondern um eine, die lediglich beobachten wollte, wie wir vorankamen. Möglicherweise ahnte oder wußte sie sogar, daß wir uns auf einer friedlichen Expedition befanden.
Wenn ich ehrlich war, glaubte ich daran aber selbst nicht. Wenn ich die Waldmänner überhaupt kannte, dann mußte ich wissen, daß sie nicht nach menschlichen Maßstäben beurteilt werden konnten. Ich überlegte mir genau, was ich als Waldmann getan hätte, aber mein Gehirn weigerte sich, einen solchen Gedankengang einzuschlagen.
Die Darkovanerbrüder hatten das Lagerfeuer angefacht, ohne jede Rücksicht auf beobachtende Augen. Im Moment glaubte ich aber, die Stimmung und Leistungsfähigkeit der Gruppe seien wichtiger als jede Vorsicht. Mir war selbst wohler, als das prasselnde Feuer mich wärmte, die Nässe aus meinen Kleidern holte und uns heißen Tee bescherte. Der alte Optimismus meldete sich wieder. Kyla ließ sich von Hjalmar die von den Lianen aufgerissenen Hände verbinden und machte mit den Männern Witze über ihre freiwillige akrobatische Leistung.
Unser Lager befand sich auf dem Gipfel eines Ausläufers der Hauptkette der Hellers, und der, ganze massive Bergstock lag nun vor unseren Augen. Im Licht der untergehenden Sonne funkelte er in allen erdenklichen Farbschattierungen. Die Hauptfarben waren grün, türkis und rosa, und das alles in einen perlmuttfarbenen Schimmer gehüllt. Die Berge sahen noch viel schöner aus, als ich sie in Erinnerung hatte. Die Schulter des hohen Berges, auf dem wir uns jetzt befanden, hatte beim Aufstieg das ganze Massiv verdeckt. Ich sah, wie Kendricks’ Augen sich staunend weiteten, als er sich klar wurde, daß dieser Gipfel nur den ersten Schritt darstellte und unsere eigentliche Aufgabe noch vor uns lag. Wir sahen den Bergstock vor uns, der bis weit hinauf mit dicken Wäldern bedeckt war, die sich später lichteten, und schließlich war nichts mehr da als nackter Fels. So stellte ich mir die Landschaft eines luftlosen Mondes vor. Und über dem Fels kam die blendende Eiskappe. Von einem Gipfel floß ein Gletscherstrom herab, ein
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