Rettet den Euro!: Warum wir Deutschland und Europa neu erfinden müssen (German Edition)
Schäuble).
So kommt es, dass der Euro heute das einzige Band ist, das die Gemeinschaft zusammenhält. Das ist umso bemerkenswerter, als der Euro nur 17 der 27 EU-Mitglieder umfasst. Er ist aber der Kern, um den sich alles dreht. Wir müssen die Staatsfinanzen in Ordnung bringen, weil sonst die gemeinsame Währung gefährdet ist. Wir müssen in der Wirtschaftspolitik zusammenarbeiten, weil sonst der Euro schwach wird. Unsere Stabilität wird nicht mehr von den einzelnen nationalen Notenbanken gemacht, sondern von der Europäischen Zentralbank. Ein Aus für den Euro bedeutete unweigerlich das Aus auch für Europa.
Warum ein gemeinsames Europa gebraucht wird
Nicht dass die EU sofort auseinanderfallen würde, aber der Zwang zur Zusammenarbeit würde deutlich geringer, die Notwendigkeit zur Einigung deutlich schwächer.
Wenn es allein die Währung ist, die Europa heute zusammenhält, dann muss man sich wohl fragen, ob es noch sinnvoll ist, an dem Projekt der europäischen Einigung festzuhalten. Könnten wir nicht sagen: Prima, wenn wir den Euro abschaffen, dann hätten wir zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen. Nicht nur die endlosen Debatten über den Euro blieben uns erspart, sondern auch die lästigen Bürokraten in Brüssel. Die Kommission würde nicht mehr in unsere nationale Angelegenheiten hineinreden, die Berliner Minister müssten nicht mehr so oft nach Belgien oder Luxemburg reisen, und wir, die Bürger, müssten nicht mehr so viel Steuergelder nach Brüssel überweisen. Wir würden wieder ein richtiger, selbständiger Nationalstaat sein. Europa war gut, um den Wiederaufbau nach dem Zweiten Weltkrieg zu fördern und auf dem Kontinent wieder Frieden herzustellen. Aber jetzt wird es nicht mehr gebraucht. Der Mohr hat seine Schuldigkeit getan. Der Mohr kann gehen.
Doch halt. Wäre das wirklich gut? Stünden wir wirklich besser da? Es gibt zwei wichtige Gründe, weshalb die Europäische Union gebraucht wird. Der eine ist, dass ohne sie der Frieden auf dem Kontinent gefährdet wäre, der andere, dass die europäischen Nationen nicht nur ihre Bedeutung, sondern damit auch ihre Unabhängigkeit und ihre Freiheit verlieren, am Ende womöglich zugrunde gehen würden.
Der Kontinent war über viele Jahrhunderte immer wieder durch grausame Kriege zerrissen worden. Zuerst fanden sie zwischen den Kaiser- und Königreichen oder den vielen Fürsten- und Herzogtümern statt, später gab es die Kriege zwischen den Nationalstaaten. Am Ende standen als Kulminationspunkte die beiden Weltkriege des vorigen Jahrhunderts. Sie waren so entsetzlich, dass niemand in Europa Vergleichbares noch einmal erleben möchte. Doch die Gefahr kriegerischer Auseinandersetzung wäre mit einem Zurück in die Welt vor der europäischen Einigung wieder gegeben.
Auch wenn wir heute so zivilisiert sind, dass allein die Vorstellung eines Krieges als völlig abwegig erscheint, so sollte man sich doch an die verschiedenen regionalen Konflikte in Europa wie in Nordirland oder im Baskenland oder zuletzt und äußerst brutal auf dem Balkan erinnern. Und die großen und teuren Armeen, die sich die europäischen Staaten leisten, sind zumindest ohne den Gedanken an Krieg kaum erklärbar. Die deutsch-französische Freundschaft dauert nun schon fast ein halbes Jahrhundert. Aber ist sie dadurch unumkehrbar geworden? Die Menschen sind nicht besser geworden.
Und noch ein grundsätzliches Argument: Der frühere Bundeskanzler Helmut Schmidt hat darauf hingewiesen, dass Deutschland in Europa das Land mit den meisten Grenzen zu anderen Ländern ist. Europa insgesamt ist durch seine zahlreichen Nationalstaaten auf engstem Raum einzigartig. Wenn so viele Menschen so nahe beieinander wohnen, funktioniert das in Frieden nur dann, wenn sie multilateral zusammenarbeiten und ihre Außen-, Wirtschafts- und Militärpolitik aufeinander abstimmen. Es reicht nicht, wenn zwei oder drei Staaten kooperieren, Konflikte mit den anderen wären hier vorprogrammiert. Notwendig ist eine Verständigung auf gemeinsame Ziele – Einbindung, nicht Isolation heißt die Devise.
Wenn man das schleifen lässt, dann orientiert sich vielleicht Deutschland nach Osten, Frankreich nach Süden, Großbritannien nach Westen. Damit ist der Konflikt vorgegeben. Es droht eine Rückkehr der innereuropäischen Auseinandersetzungen, wie sie in der Zeit der Nationalstaaten auf dem Kontinent herrschte. Ein friedliches Europa muss man wollen und aktiv gestalten. Es ergibt sich nicht von allein, aber
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