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Rettet den Euro!: Warum wir Deutschland und Europa neu erfinden müssen (German Edition)

Rettet den Euro!: Warum wir Deutschland und Europa neu erfinden müssen (German Edition)

Titel: Rettet den Euro!: Warum wir Deutschland und Europa neu erfinden müssen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Hüfner
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großem Pomp in Rom die europäische Verfassung unterschrieben. Jetzt stand die Ratifizierung an. Und was passierte? Zuerst lehnte das französische Volk das Verfassungsprojekt ab. Eine Woche später folgten die Niederländer mit dem gleichen Votum. Damit war das Projekt vom Tisch. Das Volk wollte die europäische Verfassung nicht. Das war ein herber Rückschlag, 50 Jahre europäischer Euphorie waren zu Ende. Es war den Politikern nicht gelungen, die Menschen von der Notwendigkeit der europäischen Integration zu überzeugen. Vielleicht ging vieles auch einfach nur zu schnell.
    Bis heute hat sich Europa von dem Schock nicht wirklich erholt. Nach wie vor ist die Europäische Union bei den Menschen auf dem Kontinent nicht wirklich angekommen. Sie schimpfen über die Bürokratie in Brüssel. Sie sehen keinen Sinn in dem großen Beamtenapparat im Berlaymont, jenem imposanten dreiarmigen Gebäude in Brüssels Innenstadt, in dem die EU-Kommission sitzt. Politiker, die aus der nationalen Politik nach Brüssel gehen, gelten als Absteiger, zum Beispiel der frühere baden-württembergische Ministerpräsident Günther Oettinger, der sein Amt in Stuttgart aufgab und zur Kommission nach Brüssel ging. Auch der Präsident der Kommission, José Manuel Barroso, hat kein sonderlich gutes Image in der Öffentlichkeit. Das europäische Parlament hat zwar an Statur gewonnen, wird aber unverändert viel weniger beachtet als die nationalen Volksvertretungen.
    Die Menschen denken wieder verstärkt in Begriffen von nationaler Souveränität. Politiker orientieren sich für eine Wiederwahl an den national ausgerichteten Präferenzen ihrer Wähler.
    Große europäische Projekte sind in den letzten Jahren im Sand verlaufen. Die europäische Verfassung wurde zu einem Paragrafendschungel eingedampft und in den Lissabon-Vertrag eingebaut. Der Plan, Europa bis zum Ende des ersten Jahrzehnts zu einem der dynamischsten wissensbasierten Wirtschaftsräume zu machen, wurde 2010 still beerdigt. Es gibt zwar einen neuen Plan, aber niemand kennt ihn oder verfolgt ihn ernsthaft. Der europäische Binnenmarkt ist auch 20 Jahre seit seinem Entstehen noch nicht voll verwirklicht. Zum ersten europäischen Präsidenten wurde ein Belgier gewählt, den in der Öffentlichkeit niemand kennt und der sich vor der Wahl auch nicht durch besondere Leistungen hervorgetan hatte.
    Es gibt keinen Druck und keine Begeisterung mehr, neue Projekte in Angriff zu nehmen. Die großen politischen Herausforderungen stellen sich nicht mehr auf der Ebene Europas. Die Sanierung der Staatsfinanzen muss national geleistet werden, ebenso die Sicherung der Sozialsysteme angesichts demografischer Alterung. Die globale Erderwärmung kann – logischerweise – nicht auf europäischer Ebene verhindert werden. Der Ausstieg der Deutschen aus der Atomkraft wurde zwar im nationalen Alleingang beschlossen, obwohl die Risiken der Atomkraftwerke weiß Gott nicht national beschränkt sind. Deutschland wird in Zukunft zumindest zeitweise Strom aus zum Teil wesentlich weniger sichereren Atomkraftwerken in Tschechien und Frankreich importieren.
    In der wichtigen Frage eines Militäreinsatzes gegen den libyschen Machthaber Gaddafi ging Deutschland einen Sonderweg, ohne sich vorher mit den Partnern in der EU oder in Euro-Land abzustimmen. Die großen Industriekonzerne denken schon lange nicht mehr europäisch, sondern global.
    Ich hatte gehofft, dass sich Europa durch eine neue europäische Idee regenerieren könnte. Es gibt ein paar Versuche, europäische Stärken und Gemeinsamkeiten zu betonen, die ein gesamteuropäisches Bewusstsein und eine Identität begründen könnten. Etwa die gemeinsame Geschichte, die gemeinsame Kultur, die gemeinsamen, vor allem christlichen Werte oder gemeinsame Verhaltensweisen, die Europäer von Amerikanern oder Chinesen unterscheiden. Auch der Binnenmarkt, als solcher inzwischen der größte der Welt, könnte den Zusammenhalt stärken.
    All das hat bisher aber nicht richtig »gezogen«, ist ein »nice to have«, aber nichts, was die Menschen im Innersten nach Europa drängen lässt und was gegen den Chauvinismus der Nationalstaaten antreten kann. Wenn man die heutige Politikergeneration anschaut, dann scheint bei keinem der Regierungschefs in der EU noch ein europäisches Feuer lodern, das sich auf die Menschen übertragen könnte (außer vielleicht bei dem luxemburgischen Ministerpräsidenten Jean-Claude Juncker oder dem deutschen Finanzminister Wolfgang

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