Rettet den Euro!: Warum wir Deutschland und Europa neu erfinden müssen (German Edition)
auch nicht nur aus einer gemeinsamen Währung.
Ohne Euro und Europa wäre aber nicht nur der Friede auf dem Kontinent gefährdet, auch die Freiheit und Unabhängigkeit der Länder wären nicht mehr selbstverständlich. Auch das können sich viele nicht vorstellen. Haben die Nationalstaaten in der Vergangenheit nicht immer gut funktioniert zur Sicherung der Unabhängigkeit und Freiheit? Natürlich brauchten sie dazu Militär und im Zweifel die Bereitschaft, ihr Land auch mit Waffen zu verteidigen.
Doch die Zeit der Nationalstaaten hat sich überlebt. Nur wenn es eine Vielzahl ähnlich großer und starker Länder gibt, kann sich ein Gleichgewicht einstellen und funktioniert gegenseitige Abschreckung. Solche Verhältnisse aber sind unter den heutigen Bedingungen des globalen Wettbewerbs längst nicht mehr gegeben. Schauen Sie sich die USA, China oder auch Russland an. Gegenüber solchen Großmächten sind Einheiten wie Deutschland, Frankreich oder Italien eine Null. China hat 1300 Millionen Menschen, Deutschland mit rund 82 Millionen gerade mal 6 Prozent davon. China hat eine Fläche von 9,5 Millionen Quadratkilometern, Deutschland lediglich 3 Prozent davon (357.000 Quadratkilometer). Deutschland ist flächenmäßig so groß wie der kleine amerikanische Bundesstaat Montana im Nordwesten der USA. Russland hat 140 Millionen Einwohner und eine Fläche von 17 Millionen Quadratkilometern. Es ist eines der ganz großen Rohstoffländer dieser Welt, ohne das die europäischen Nationalstaaten ihren Energiebedarf nicht decken könnten.
Wer in dieser Welt bestehen und sich behaupten will, kann nicht auf Strukturen des 19. Jahrhunderts zurückgehen. Die Nationalstaaten würden im besten Fall ignoriert, im schlechtesten Fall ganz einfach geschluckt von den ganz großen Wirtschaftsnationen. Wir würden Russen, Amerikaner oder – wer weiß – vielleicht sogar Chinesen. So etwas zu verhindern geht nur mit Europa.
In allen Teilen der Welt reagieren die Staaten auf diese neue Welt. In Südostasien bauen die Länder den ASEAN-Pakt aus, um eine Gegenmacht gegen das große China aufzubauen. In Afrika gibt es die Afrikanische Union. Im Mittleren Osten wird der Golf-Kooperationsrat immer wichtiger. In Lateinamerika der Andenpakt und Mercosur. Würde Europa sich in dieser Zeit vom Euro und damit von der europäischen Integration verabschieden, würde es sich genau gegen den Trend stellen.
Die Staaten Zentral- und Osteuropas sind gerade einmal vor sieben Jahren der Europäischen Union beigetreten. Sicher wollten sie von den wirtschaftlichen Vorteilen des Binnenmarkts profitieren. Sie suchten aber auch Schutz vor dem nach wie vor mächtigen Nachbarn im Osten. Das gilt nicht nur für die kleinen Staaten Estland, Lettland und Litauen, die fast wie eine Enklave gegenüber Russland dastehen. Hier sind die Auseinandersetzungen mit den Russen nach wie vor in lebendiger Erinnerung. Es gilt auch für ein großes Land wie Polen, das unverändert ein russisches Trauma hat. Ein Ende Europas würde in Polen die alte Angst, von den Deutschen und den Russen erdrückt zu werden, wieder aufleben lassen.
»Nous ne laisserons tomber l’euro, jamais«
Ohne den Euro wäre die Stellung der Nationalstaaten Europas in der Welt ähnlich der der heutigen Schweiz in Europa. Als separate Einheiten könnten sie zwar gut leben, spielten international aber keine Rolle. Ginge es hart auf hart (wie im Steuerstreit zwischen der Schweiz und den USA), zögen sie den Kürzeren und müssten nachgeben.
Natürlich ist es nicht schlecht, wie die Schweiz zu leben. Man muss dazu allerdings jeglichem Ehrgeiz auf internationaler Bühne abschwören. Und man braucht eine innere Stärke, ein Zusammengehörigkeitsgefühl und ein Selbstbewusstsein. Das hat die Schweiz. Ich sehe es aber in keinem anderen europäischen Nationalstaat. Last but not least braucht man das Glück, Nachbarn zu haben, die die eigene Unabhängigkeit respektieren.
Es sind solche Überlegungen, die hinter den Aussagen des französischen Präsidenten Sarkozy stehen: »L’euro c’est l’Europe et l’Europe c’est 60 ans de paix sur notre continent« – Der Euro, das ist Europa und Europa, das sind 60 Jahre Frieden auf unserem Kontinent. Und: »La question de l’euro, pour nous, n’est pas une question simplement monétaire, n’est pas une question simplement économique, c’est une question identitaire.« – Die Frage des Euro ist nicht nur eine simple monetäre Frage, nicht nur eine
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