Rettet den Euro!: Warum wir Deutschland und Europa neu erfinden müssen (German Edition)
(nach dem Wägungsschema der OECD). Europäer müssen bei Einkäufen in den USA also vergleichsweise mehr auf den Ladentisch legen als Amerikaner. Umgekehrt können Amerikaner in Europa relativ billiger einkaufen.
Ein zweiter und noch wichtigerer Punkt für die Stärke des Euro ist die Kapitalbilanz. Große internationale Investoren im Mittleren Osten oder in Asien haben ihre riesigen Reserven aus Rohstoffverkäufen oder auch aus Interventionen an den Devisenmärkten nicht nur in Dollar, sondern auch in Euro angelegt. Das hängt zum Teil mit dem Vertrauen in die Solidität der Europäer zusammen, zum Teil ist es aber auch das Ergebnis einer Diversifikation von Risiken. Auch große Investoren wollen nicht alle Eier in einen Korb legen. Sie haben auf die Kassandra-Rufe, der Euro würde sich nicht halten können, nicht gehört. Sie vertrauten im Gegenteil auf die Stabilität und die Nachhaltigkeit der neuen Währung.
Vor allem Zentralbanken haben in erheblichem Maße Gelder in die Gemeinschaftswährung investiert. Zentralbanken gelten ja als besonders vorsichtig und risikoscheu. Wenn sie Geld in Euro anlegten, war das schon ein deutliches Zeichen. Natürlich brauchten sie Euros in ihrem Portefeuille, um im Falle eines Falles auf den Devisenmärkten intervenieren zu können. Tatsächlich haben sie aber mehr Euros gekauft, als für diese Zwecke notwendig gewesen wäre. Sie waren froh, dass sie neben dem Dollar eine neue Währung zum Anlegen hatten, die über einen ausreichend großen Kapitalmarkt verfügte. Bei der alten D-Mark war das nicht der Fall.
Der Außenhandel und die Leistungsbilanz spielten im Gegensatz zu den D-Mark-Zeiten bei der längerfristigen Euro-Stärke keine Rolle. In der Bundesrepublik wies die Leistungsbilanz jahrelang einen Überschuss auf. Die Ausländer mussten sich D-Mark kaufen, um ihre Importe bezahlen zu können. In Euro-Land ist die Leistungsbilanz dagegen mehr oder weniger ausgeglichen. Das, was die Ausländer im Euro-Gebiet kaufen, können sie mit ihren Exporten nach Europa bezahlen.
Die Aufwertung einer Währung wird von den Betroffenen unterschiedlich gesehen. Auf der einen Seite ist sie ein Zeichen des Vertrauens, das die Bürger in Euro-Land ein wenig stolz machen kann. In vielen Staaten ist es ein ausdrückliches Ziel, eine starke Währung zu haben. Die Amerikaner betonen insbesondere vor Wahlen immer wieder, dass sie für eine Politik des »Strong Dollar« sind (auch wenn man in der Praxis daran bisweilen zweifeln kann). Die Franzosen haben lange Zeit Opfer in Kauf genommen, um einen »Franc fort« zu haben. Die Europäer bekommen dies mit dem Euro quasi frei Haus geliefert. Gerade für eine neue Währung ist die internationale Akzeptanz wichtig.
Für die Bürger ist eine starke Währung aber nicht nur eine Sache des Prestiges. Reisen ins Ausland werden billiger und die Einkäufe dort günstiger. Wie viele Europäer sind Ende 2009, als der Euro gegenüber dem Dollar bis auf 1,60 Dollar gestiegen ist, in die USA geflogen, um Weihnachtseinkäufe auf der ansonsten recht teuren Fifth Avenue in Manhattan zu tätigen! Der starke Euro hat sich auch positiv auf die Verbraucherpreise ausgewirkt. Benzin ist zwar immer zu teuer, es war jedoch in den letzten zehn Jahren wegen der Euro-Aufwertung billiger, als es sonst gewesen wäre.
Anders sehen es manche Unternehmen. Zwar gibt es auch Firmen, die von der Aufwertung profitieren, weil auch sie billiger im Ausland einkaufen können. Sie äußern sich jedoch nicht so oft. Lautstärker ist die Lobby der Exportindustrie, die beklagt, dass sie ihre Produkte im Ausland nicht zu kostendeckenden Preisen absetzen kann. Vor allem fühlt sie sich gegenüber Anbietern aus Drittländern mit weniger starken Währungen im Nachteil.
In der Tat knabbert eine Aufwertung an den Margen der Exportindustrie. Allerdings ging der Export auch weiter, als der Euro bei 1,60 Dollar lag und damit tatsächlich deutlich überbewertet war.
Die Wechselkursschwankungen
So weit, so gut. Kein Grund zur Sorge? Das liegt freilich nur an unserem schlechten Gedächtnis. Denn auch die Gemeinschaftswährung war einmal schwach, und zwar sehr schwach. Schon kurz nach der Einführung des Euro-Bargelds sackte der Wechselkurs gegenüber dem Dollar auf den Devisenmärkten kräftig ab. Bei der Einführung des Euro-Buchgelds lag er bei 1,17 Dollar. Davor hatte er – umgerechnet aus der D-Mark – sogar zeitweise bei 1,40 gelegen. Dann aber fiel er bis zu den Jahren 2000/2002 bis
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