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Rettet den Euro!: Warum wir Deutschland und Europa neu erfinden müssen (German Edition)

Rettet den Euro!: Warum wir Deutschland und Europa neu erfinden müssen (German Edition)

Titel: Rettet den Euro!: Warum wir Deutschland und Europa neu erfinden müssen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Hüfner
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fast 20 Jahren mit sinkenden Preisen leben muss. Außerdem bringt eine Deflation immer die Gefahr einer sich verstärkenden Rezession und Depression mit sich. Wenn die Preise sinken, sind die Konsumenten geneigt, anstehende Käufe zu verschieben, damit sie die Güter später billiger bekommen. Es fehlt daher an Nachfrage.
    Der zweite Grund, weshalb die Zentralbanken bereit sind, »ein bisschen Inflation« zuzulassen, ist die Schwierigkeit der Messung von Geldentwertung. Statistiker berechnen die Preissteigerung einer Volkswirtschaft, indem sie einen Warenkorb festlegen, der den durchschnittlichen Konsumgewohnheiten der Verbraucher entspricht. Sie fragen dann, was dieser Warenkorb heute kostet, und vergleichen das mit dem Preis, den er vor einem Jahr oder vor einem Monat gekostet hatte.
    Das ist an sich logisch, hat aber einen Nachteil. Der Warenkorb ändert sich mit der Zeit, weil sich die Präferenzen der Haushalte verändern. Meist werden über die Zeit die Güter mehr gekauft, die tendenziell weniger im Preis steigen oder die sogar billiger werden. Im Warenkorb von 2005, der in Deutschland heute gilt, sind natürlich weniger Handys, Computer und Computerspiele enthalten, als dies in einem Warenkorb von 2010 der Fall wäre. Insofern überschätzt die offiziell gemessene Preissteigerung die in einer Volkswirtschaft tatsächlich vorhandene. Auch dies spricht dafür, dass die Zentralbank nicht Null-Inflation anpeilt, sondern eine leicht positive Preissteigerung.
    Der »Teuro«
     
    Manch ein Leser wird fragen: Ja, hat er denn bei seinem Lob für den Euro ganz den »Teuro« vergessen? Also das Phänomen, dass viele Preise bei der anfänglichen Umstellung der D-Mark auf den Euro nicht in dem Maße gesunken sind, wie das rein rechnerisch aufgrund der Umrechnungskurse eigentlich erforderlich gewesen war. Die erste Enttäuschung ergab sich gleich in den ersten Tagen. Die Verbraucher mussten feststellen, dass die Preise nicht nur von D-Mark auf Euro umgestellt, sondern zum Teil auch kräftig erhöht worden waren. Enttäuschung und Ärger waren groß. So hatten wir uns die neue Währung nicht vorgestellt.
    An sich ist das keine Überraschung. Wann ist es so leicht für die Unternehmen, Preissteigerungen durchzusetzen wie bei der Umstellung auf eine neue Währung? Die Gefahr, dass es die Verbraucher merken und mit Kaufzurückhaltung reagieren, ist hier vergleichsweise gering. In Deutschland war es noch relativ einfach, die alten und die neuen Preise miteinander zu vergleichen. Man musste nur die Euro-Preise mit zwei multiplizieren. Auch in Italien oder in den Niederlanden war die Umrechnung nicht so schwer. Aber in Österreich? Da entsprach ein Euro 13,76 Schilling. In Frankreich waren es 6,559 Franc, in Spanien 166,386 Peseten.
    Das Phänomen des »Teuro« ist für Fachleute bis heute ein Rätsel geblieben. Auf der einen Seite hat es jeder in den Geschäften gespürt, dass durch den Euro alles teurer geworden war. Die Pizza kostete nicht mehr 7 D-Mark, sondern 4 Euro. Für das Glas Bier im Restaurant musste man nicht mehr 5 D-Mark hinlegen, sondern 3,50 Euro. Für die Hausfrauen in den Supermärkten war es zum Verzweifeln.
    Auf der anderen Seite stand der Ökonom, der in seinen Statistiken nichts von einer erhöhten Preissteigerung ausmachen konnte. Im Januar 2002 stiegen die Preise in Euro-Land um 0,1 Prozent gegenüber Dezember. Das war weniger als normal. Im Februar waren es magere 0,2 Prozent. Im März lag die Rate mit 0,5 Prozent schon etwas höher. Aber im April kam sie schon wieder zurück. Von »Teuro« war nichts zu sehen.
    Das war auch logisch. Es gab durch die Einführung der neuen Währung ja weder mehr Geld noch mehr Nachfrage. Wenn einer die Preise erhöhte, dann musste ein anderer sie senken. Sonst ging die volkswirtschaftliche Gleichung nicht auf. Das Phänomen des »Teuro« konnte sich also nur im Bereich des Irrationalen, der »gefühlten Inflation« bewegen.
    Aber sagen Sie das mal Ihrer Frau, die täglich die höheren Preise sieht! Wie oft habe ich in der Familie darüber diskutiert, und wie oft konnten wir uns nicht einigen. Ich sprach darüber mit dem Chefvolkswirt der Europäischen Zentralbank, Otmar Issing. Auch er hatte keine Erklärung. Sein Rat war nur: Reden wir einfach nicht so häufig darüber. Wir machen uns nur lächerlich.
    Glücklicherweise ist der »Teuro« inzwischen weitgehend Vergangenheit. Unbestritten aber hat er das Renommee der neuen Währung am Anfang erheblich

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