Rettet den Euro!: Warum wir Deutschland und Europa neu erfinden müssen (German Edition)
wirklich verantwortlich fühlt. Ihr fehlt noch die Kraft zur Identifikation, für die Menschen ist sie ein Instrument zur bequemen Abwicklung des Zahlungsverkehrs, geht aber nicht ins Herz. Ihr Geltungsbereich wird als Euro-Gebiet (Euro Area, EA), als Euro-Zone, Euro-Raum oder Euro-Land bezeichnet. Nicht unbedingt attraktive Ausdrücke für eine Union, die mehr sein will als ein technokratischer Apparat.
Der Euro ist eine Kunstwährung, ein Retortenbaby, die am Reißbrett entstanden ist. Das hat den großen Vorteil, dass man die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse der Währungstheorie berücksichtigen konnte. Der Nachteil aber ist, dass sie noch nicht »eingefahren« ist, es herrscht nach wie vor noch Unsicherheit im Umgang mit ihr. Mangelnde Vertrautheit aber bedeutet immer Distanz. Das gleicht ein wenig einem neuen Auto. Es ist zwar auf dem neuesten Stand, es hat jede Menge Bequemlichkeiten. Aber es ruckelt noch. Man hat sich noch nicht daran gewöhnt. Man ist unsicherer. Erst wenn die eine oder andere Gebrauchsspur da ist (es müssen ja nicht gleich Kratzer sein) und das Auto innen nicht mehr so neu riecht, wird es heimeliger.
Wie viele Mitglieder hat der Euro?
Eine andere Besonderheit des Euro: Sein Geltungsbereich wächst permanent. Am Anfang waren es elf Euro-Mitglieder. Dann kam Griechenland dazu, dann Slowenien, dann die Slowakei, dann Malta und Zypern und schließlich mitten in der Finanzkrise noch Estland. Niemand weiß so recht, wer im Augenblick dazugehört und wer nicht. Ist Dänemark beispielsweise dabei, oder hat man nur in der Zeitung gelesen, dass jemand gefordert hat, dass es den Euro übernehmen soll? Auch das macht den Umgang mit der Währung nicht einfacher.
Hinzu kommt, dass sämtliche neuen EU-Mitglieder in Mittel- und Osteuropa eine Zusage haben, dass sie dem Euro beitreten können, wenn sie die Bedingungen erfüllen. Keine Währung der Welt hat solch einen hohen Zuwachs bei ihren Mitgliedern. Das ist einerseits ein Zeichen für das Vertrauen in den Euro, andererseits trägt es nicht unbedingt zur Festigung des Zusammenhalts in der Euro-Zone bei.
Die unvollständige Währung
Das alles sind »weiche Faktoren«. Sie trugen dazu bei, dass der Euro auch auf kleine Ursachen so heftig reagierte. An den meisten kann man nicht viel ändern. Damit muss man leben. Manche von ihnen geben sich, wenn der Euro älter wird.
Weiche Faktoren sind wichtig. Noch wichtiger sind die hard facts .
Im Juni 2010 hielt der berühmte amerikanische Hedgefonds-Besitzer George Soros einen Vortrag an der Humboldt-Universität zu Berlin. Das war ein großes Ereignis sowohl für die Universität als auch für Soros selbst. Die Universität hatte den Mann zu Gast, der mit seinen Transaktionen einmal die Welt und die Finanzmärkte erschüttert hatte. Anfang der 1990er Jahre hatte er auf eine Abwertung des britischen Pfunds spekuliert und sich damit gegen die Phalanx der großen europäischen Zentralbanken gestellt, die mit Zig-Milliarden-Beträgen an den Devisenmärkten gegen den Angriff von Soros intervenieren mussten. Am Ende siegte Soros. Das britische Pfund wurde abgewertet und musste das europäische Währungssystem verlassen. Soros hatte Geschichte gemacht.
Er hatte seine Rede lange vorher bei verschiedenen Gelegenheiten angekündigt. Es lag ihm sehr am Herzen, den Europäern ins Gewissen zu reden und ihnen zu sagen, dass sie auf dem falschen Weg sind. George Soros ist ja selbst ein Europäer. Er stammt aus Ungarn und ist erst mit 26 Jahren in die USA ausgewandert. Er ist ein Weltverbesserer. Er möchte durch seine Bücher, aber auch durch Spenden etwas Gutes tun. Selbst in der New Yorker Finanz-Community war man auf die Rede gespannt. Ein Hedgefonds-Manager von der Wall Street schickte mir den Redetext unmittelbar am Tag danach mit der Bemerkung: Vielleicht bist Du ja auch daran interessiert.
Die Botschaft von Soros war: Der Euro ist eine unvollständige, eine unfertige Währung. Er hat zwar wie alle anderen eine gemeinsame Zentralbank, und zwar eine gute. Er hat aber kein gemeinsames Finanzministerium, wie das in normalen Währungsunionen der Fall ist. Die Europäische Kommission ist dafür kein Ersatz. Sie hat nur ein beschränktes Budget. Sie hat auch gar kein Mandat, als europäisches Finanzministerium zu agieren.
Die Europäische Währungsunion ist ein Torso. »Der Maastricht-Vertrag errichtete eine Währungsunion ohne eine politische Union«, so Soros. »Der Euro schmückte sich mit einer
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