Rettet den Euro!: Warum wir Deutschland und Europa neu erfinden müssen (German Edition)
Europäischen Währungsunion, gab es keinerlei breite öffentliche Diskussion. Die Bürger in Deutschland – anders als in anderen Ländern – wurden vor vollendete Tatsachen gestellt. Gleiches geschah bei der Euro-Einführung. Glücklicherweise meldeten sich damals die erwähnten kritischen Professoren, die gegen die Einführung der neuen Währung waren, zu Wort. Ich habe ihren Argumenten und Zielen zwar nicht zugestimmt, aber die dadurch ausgelöste Diskussion war notwendig.
Durch Stuttgart 21 ist das Problem noch einmal dringlicher geworden. Großprojekte lassen sich immer schwerer gegen das Volk verwirklichen. Auch wenn man jetzt keine Volksabstimmung mehr zum Euro machen kann, muss man die Menschen in die anstehenden Probleme und Entscheidungen einbeziehen und um ihre Zustimmung werben.
Europa war nicht immer unbeliebt bei den Deutschen. Nach dem Zweiten Weltkrieg war es der Weg aus der Vergangenheit des Dritten Reiches sowie die Voraussetzung für den Wiederaufbau und die Erreichung von Wachstum, Wohlstand und Arbeitsplätzen. Die Regierungen haben die Einbindung der Menschen in das europäische Projekt gefördert. Es gab umfangreiche Hilfen zur Verankerung der deutsch-französischen Freundschaft. Ich selbst bin während der Schulzeit mehrere Male in den Schulferien im Rahmen eines Schüleraustauschs nach Frankreich gefahren.
Die D-Mark war den Menschen in Deutschland zwar auch nicht in einem demokratischen Verfahren vorgelegt worden. Dahinter stand die Entscheidung der Siegermächte, der Bundesrepublik wieder eine Währung zu geben. An sich hätte das zu einer Ablehnung führen können. Der Makel wurde jedoch schnell geheilt durch den großen wirtschaftlichen Erfolg, vor allem die vollen Regale in den Geschäften unmittelbar nach der Einführung der neuen Währung. Dass das nicht nur der neuen Währung, sondern auch der Aufhebung der Preisbindung und der Einführung der Marktwirtschaft zu danken war, darüber dachten die wenigsten nach.
Beim Euro gab es einen solchen Aufschwung nicht. Die Krise des Euro ist aufgebrochen, als es in der Finanz- und Wirtschaftskrise zu Schwierigkeiten kam und diese dann der gemeinsamen Währung aufgebürdet wurden.
Wie für ein Waschmittel werben
Kurz vor der Einführung des Euro am 1. Januar 1999 veranstaltete die gerade gegründete Europäische Zentralbank eine Konferenz über die bevorstehenden Probleme mit der neuen Währung. Ich war als einer der Redner eingeladen. Ich plädierte für umfangreiche Kommunikationsmaßnahmen zur Förderung der Akzeptanz des Euro in der Bevölkerung. Jedes neue Waschmittel, das auf den Markt kommt, wird mit Millionen beworben, damit die Menschen es mögen und kaufen. Warum also nicht auch für eine neue Währung werben? Im Auditorium saß eine Reihe wichtiger Entscheidungsträger der neuen Zentralbank. Sie hörten sich höflich an, was ich sagte. In ihren Mienen sah ich jedoch breites Unverständnis. Eine Diskussion zu dem Vorschlag gab es nicht. Werbung für eine neue Währung gehört nicht zum Gedankengut eines Zentralbankers. Freilich ist die Einführung einer neuen Währung nichts, was Zentralbanker jeden Tag machen.
Natürlich ist Werbung nicht unproblematisch, weil es ihr oft an Glaubwürdigkeit fehlt. Vielleicht brauchte es auch nicht unbedingt Werbung im klassischen Sinn, aber etwas mehr Kommunikation für und über die neue Währung wäre in keinem Fall falsch gewesen. Was es gab, war eine kleine Kunstaktion, bei der lebensgroße Euro-Münzen gestaltet werden konnten. Die besten Arbeiten wurden prämiiert und dann in Frankfurt ausgestellt. Das war das Einzige. Im Übrigen wurde die Einführung der neuen Währung vom Parlament beschlossen und im Gesetzblatt verkündet. Für die Bürger hieß es »Friss oder stirb«. Das ist ein Stil, der zu einer modernen demokratischen Zivilgesellschaft nicht passt.
Der polnische Ministerpräsident Tusk – dessen Land (noch) nicht dem Euro-Raum angehört – sagte in einem Interview: »Wenn ich so manchen Ton in der europäischen Debatte höre, habe ich den Eindruck, dass man die Idee der Europäischen Union immer wieder erklären muss. Die Union wurde nicht für die guten Zeiten geschaffen. Wir glauben, dass sie gemacht ist, um die schweren Zeiten durchzustehen. Es ist vor allem das Prinzip der Solidarität, was sie so interessant macht. Das wissen besonders die neuen Mitgliedsländer besser als die alten.« (Spiegel-Online, 9.4.2011)
Und der Philosoph Jürgen Habermas hat das
Weitere Kostenlose Bücher