Rettet den Euro!: Warum wir Deutschland und Europa neu erfinden müssen (German Edition)
sich auf einer Stufe mit dem amerikanischen Präsidenten und dem chinesischen Staatspräsidenten.
Sie genießt in den Partnerländern einen guten Ruf. Sie versteht sich mit den anderen nationalen Regierungschefs gut. Sie kann unterschiedliche Positionen zusammenführen. Sie selbst ist engagierte Europäerin. Als sie 2006 sechs Monate Ratspräsidentin war, hat sie gute Arbeit geleistet und war sehr angesehen. Sie war es letztlich, die dafür sorgte, dass von dem ehrgeizigen Projekt der europäischen Verfassung in Form des Lissabon-Vertrags doch noch etwas übrig geblieben ist. Als Präsidentin des Europäischen Rats wäre ihr Einfluss ungleich größer als heute. Sie könnte bedeutend mehr bewegen.
Nicht viel anders denkt wohl der französische Präsident Sarkozy und irgendwann vielleicht auch einmal der britische Premier Cameron oder ein italienischer oder spanischer Ministerpräsident.
Wenn die derzeit mächtigsten und einflussreichsten Politiker der EU sich um das Präsidentenamt bewerben würden, dann wäre dies für die Gemeinschaft ein Quantensprung. Dann würden die wichtigsten Posten der EU nicht mehr nach einem Proporzverfahren an Kompromisskandidaten vergeben, die wenig bewegen können, weil die Macht bei den Nationalstaaten liegt. Dann gäbe es eine Verschiebung der Machtzentren. Dann wäre der Widerstand gegen eine politische Union eher zu brechen. Um auch die kleineren Staaten, die sich gegen eine Dominanz der Großen sicher wehren würden, zu überzeugen, müsste ein neuer starker Präsident von Anfang an deutlich machen, dass er beziehungsweise sie im europäischen Amt nicht mehr die Interessen seines Landes vertritt.
Die Argumente für ein Powerhouse Europa überzeugen Sie nicht? Sie sind in der Tat nicht zwingend. Sie zeigen aber, dass eine politische Union möglich ist und dass es Kräfte in dieser Richtung gibt. Ob sie sich im historischen Prozess am Ende durchsetzen werden, weiß niemand.
5. Die gesellschaftliche Akzeptanz
Und noch ein Punkt zur politischen Union. Entscheidend ist es, die Akzeptanz der Menschen zu gewinnen. Wenn die Menschen den Schritt von Deutschland oder Frankreich oder Italien oder Holland nach Europa nicht gehen wollen, dann wird es auch nichts mit der Union. Diese Überlegung ist in den gängigen Modellen der Ökonomen und Währungspolitiker zwar nicht enthalten, für das Funktionieren der neuen Währung aber essentiell.
Ich bin immer wieder beeindruckt von einem Zitat des französischen Dichters und Schriftstellers Antoine de Saint-Exupéry. »Wenn du ein Schiff bauen will, dann trommle nicht Männer zusammen, um Holz zu beschaffen, Aufgaben zu vergeben und die Arbeit einzuteilen, sondern lehre die Männer die Sehnsucht nach dem weiten endlosen Meer.« Wenn die Menschen positiv zu Europa stehen, wenn sie in ihrem Land als Teil Europas leben möchten, dann werden sie auch den Euro haben wollen. Und dann werden sich alle technischen Probleme lösen lassen.
Es war schon ein Fehler bei der Vorbereitung und Einführung des Euro, dass die deutsche Regierung eine Volksbefragung ablehnte. Das war zwar rechtlich korrekt, führte aber dazu, dass sich die Politiker nicht um die Akzeptanz bemühen mussten. Die Wähler vermuteten nicht zu Unrecht, es werde etwas an ihnen vorbei beschlossen. Nach wie vor wird diese Politik fortgeführt und nicht um die Zustimmung zum Projekt Euro geworben. Es werden in Brüssel in nächtlichen Ratssitzungen Beschlüsse gefasst, die später von den Staats- und Regierungschefs als »alternativlos« dargestellt werden. Auf diese Weise erhält man keine nachhaltige Zustimmung. Dabei haben die Entscheidungen erhebliche Auswirkungen auf die Portemonnaies der Menschen.
In der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland wurden alle großen politischen Entscheidungen von einer großen politischen Debatte getragen. Sei es die Westeinbindung der Bundesrepublik nach dem Zweiten Weltkrieg, die Ostpolitik der Regierung Brandt, der Nato-Doppelbeschluss unter Helmut Schmidt (der am Ende zur Wiedervereinigung führte) oder auch – auf ganz anderer Ebene – die Reform der Sozialleistungen durch die Hartz-IV-Gesetze. Es gab in diesen Punkten keine Volksbefragung, weil dieser in der deutschen Verfassung enge Grenzen gesetzt sind. Zu jener Zeit akzeptierten die Bürger noch öffentliche Debatten als Ersatz für ein Referendum.
Bei den großen Schritten Europas, von der Einheitlichen Akte über den Binnenmarkt über die europäische Verfassung hin zur
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