Rettet den Euro!: Warum wir Deutschland und Europa neu erfinden müssen (German Edition)
Das macht sie als Partner in der internationalen Zusammenarbeit berechenbarer.
Woran es Europa fehlt, ist eine gemeinsame europäische Politik. Als politischer Partner ist es in keiner Weise vergleichbar mit den USA oder den BRIC-Staaten. Es ist fast nie einig und tritt auch kaum gemeinsam auf. Es sind nach wie vor 27 Einzelstaaten beziehungsweise 17, wenn man nur Euro-Land nimmt. Das ist insofern wichtig, als eine Region nicht von selbst zum Powerhouse wird. Das muss die Politik gestalten. Ohne sie wird hier nichts geschehen.
Der Kontinent hat also das Zeug für die Vereinigten Staaten von Europa. Er kann so etwas werden wie die USA mit einem gemeinsamen Präsidenten, einem gemeinsamen und machtvollen Parlament und einer gemeinsamen Justiz. Das ist keine Utopie, aber auch keine gesicherte Perspektive. Vorläufig ist es eine Chance. Es liegt an den Europäern, sie wahrzunehmen.
4. Bundesstaat Europa?
Aber wollen die Menschen die politische Union? Fragen Sie die Leute auf der Straße. Selbst die größten Kritiker Berlins würden sagen: »Brüssel? Das ist ja noch schlimmer als Berlin. Dann wollen wir doch lieber von Deutschland aus regiert werden.« Die Menschen akzeptieren viele Einzelregelungen auf bestimmten Gebieten, die einen speziellen Nutzen bringen. Sie benutzen den gemeinsamen Pass der Europäischen Union. Sie sind mit gemeinsamen Zöllen oder Verbraucherschutzvorschriften einverstanden. Sie wollten auch eine gemeinsame Währung. Aber bei einer politischen Union befürchten sie, dass sie unter die Kuratel einer Zentrale in Brüssel kämen und ihre nationale Identität und Selbständigkeit verlieren würden. Das geht ihnen zu weit.
Es geht auch den EU-Staaten zu weit. Nicht nur die großen Mitglieder wie Deutschland und Frankreich wollen keine gemeinsame Politik. Auch die kleineren Mitglieder wie etwa die Benelux-Staaten versprechen sich nichts davon. Sie fürchten noch mehr als die großen, dass ihre Interessen am Ende auf der Strecke bleiben und sie von den anderen dominiert werden.
Widerstand gegen eine politische Union wäre auch von den EU-Mitgliedern zu erwarten, die nicht dem Euro angehören. Sie beschweren sich bereits jetzt darüber, dass sie auf wirtschafts- und währungspolitischem Gebiet nicht genügend gehört werden. Bei den Tagungen der Finanzminister treffen sich am Abend vorher immer die Mitglieder der Währungsunion, die sogenannte Euro-Gruppe, unter dem Vorsitz des ehemaligen luxemburgischen Finanzministers Jean-Claude Juncker und legen eine gemeinsame Strategie für die Tagesordnung fest. Am nächsten Morgen, wenn die eigentliche Sitzung mit allen Ministern beginnt, ist dann häufig schon alles entschieden. Eine politische Union würde sich bei jeder Tagung des Europäischen Rates vorher auf eine Linie einigen und mit ihrer Stimme die anderen dominieren – kein Wunder, dass deren Vorbehalte groß sind.
Schauen Sie auch auf den starken Nationalismus der Menschen in Europa. Was fiebern wir bei Sportveranstaltungen mit, wenn ein Landsmann oder eine Landsfrau dabei ist und eventuell sogar um den Sieg mitspielt. Hier gibt es feine Abstufungen. Deutsche drücken zuerst den Deutschen die Daumen. Wenn keine Deutschen dabei sind, dann schaut man auf die Österreicher. Relativ selten ist es, dass man sich über einen Europäer freut, der sich gegen einen Amerikaner oder Chinesen durchsetzt.
Es gibt einen breiten Widerstand gegen eine politische Union. Müssen wir also die gemeinsame Währung begraben, wenn sie nur um den Preis einer politischen Union zu haben ist? Das nun auch wieder nicht. Es gibt auch Gegenargumente.
Vier Gründe für die politische Union
Bei aller vorhandenen Skepsis herrscht bei den Menschen auch eine Grundsympathie für Europa. In unzähligen Leseveranstaltungen für mein 2006 erschienenes Buch Europa – die Macht von morgen habe ich die Argumente für eine größere Rolle Europas und für ein Aufgehen Deutschlands in einem europäischen Verbund erläutert. Die Menschen waren sehr aufgeschlossen und haben die Ausführungen positiv aufgenommen. Wenn man Europa richtig erklärt, besitzt es durchaus hohe Anziehungskraft.
Europa, also statt Kleinstaaterei ein Powerhouse! Die dritte Weltmacht neben Amerika und China. Statt »Chimerica«, der Herrschaft von China und den USA, ein »Eurochimerica«. Europa könnte seine Vorstellung von einer lebenswerten Welt eher durchsetzen, Wachstum und Arbeitsplätze schaffen, die Ungleichheit von Einkommen und Vermögen
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