Rettet den Euro!: Warum wir Deutschland und Europa neu erfinden müssen (German Edition)
114 Milliarden Euro auf Deutschland.
Diese beiden zuletzt genannten Positionen sind nicht ganz unumstritten. Worum geht es?
Bei den sogenannten ELA-Krediten handelt es sich um Notfallmaßnahmen. Wenn ein Kreditinstitut in Schwierigkeiten gerät und es keine Sicherheiten hat, die es bei seiner nationalen Notenbank einreichen kann, dann kann es derartige ELA-Kredite beantragen. ELA heißt »Emergency Liquidity Assistance«. Sie wurde in der Währungsunion bisher vor allem in Irland gewährt. Aber auch die Bundesbank hat ELA-Kredite zum Beispiel an die angeschlagene Hypo Real Estate ausgereicht. So ganz sauber ist das nicht. Nicht umsonst wird darüber in der Öffentlichkeit auch nicht so viel gesprochen. Eigentlich müssten solche Banken, wenn sie wirklich kein Geld mehr haben, pleitegehen oder vom Staat ganz offiziell gerettet werden. Was hier geschieht, ist eine »Under-cover-Rettung«, mit, wie die Zahlen belegen, nicht eben kleinen Beträgen.
Freilich darf man sie nicht mit den Krediten des Rettungsschirms gleichsetzen. Zum einen handelt es sich nicht um einen Topf mit Geldern, die im Ernstfall zur Verfügung stehen. Bei ELA existiert keine Maximalgrenze, die ausgewiesene Zahl bezieht sich auf die tatsächlich ausgeliehenen Gelder. Zum anderen gibt es hier keine grenzüberschreitende Haftung. Wenn ELA-Kredite zum Beispiel der irischen Zentralbank ausfallen, dann haftet dafür die irische Zentralbank beziehungsweise die Steuerzahler der Insel. Deutsche müssen nur geradestehen für die Kredite, die die Bundesbank in Deutschland ausreicht.
Die zweite Position, die Target-2-Kredite, ist noch größer und leider noch schwieriger zu verstehen. Target 2 ist das Clearing-System für innereuropäische Zahlungen. Es wird von der Europäischen Zentralbank betrieben und den Banken zur Erleichterung des Zahlungsverkehrs zur Verfügung gestellt. Jeden Tag werden zwischen Unternehmen und Privatpersonen in den einzelnen Ländern Millionen und Abermillionen von Transaktionen abgeschlossen. Dahinter stehen bei grenzüberschreitenden Geschäften die Export- oder Importgeschäfte oder auch Geldanlagen im Ausland. Deutsche Banken bekommen Gelder zum Beispiel aus Frankreich und den Niederlanden. Umgekehrt müssen sie für ihre Kunden selbst Zahlungen leisten, sagen wir an Spanien und Portugal.
Diese Zahlungen werden über das System Target 2 der Europäischen Zentralbank geleitet. Viele Zahlungen gleichen sich während des Tages aus, das heißt, eine Bank hat so viele Eingänge wie Ausgänge. Meist bleibt am Ende aber ein gewisser Saldo übrig. Die Banken haben dann entweder Netto-Forderungen oder Netto-Verbindlichkeiten. Banken aus Ländern mit Exportüberschüssen wie Deutschland haben meist Netto-Forderungen.
In normalen Zeiten legen die Banken diese Forderungen wieder auf den Finanzmärkten an, um dadurch Zinsgewinne zu erzielen. Dann passiert nichts bei den Zentralbanken. Wenn die Risiken auf den Märkten jedoch zunehmen, kann es passieren, dass die Banken sich aus diesem Geschäft zurückziehen. Sie legen diese Gelder sicherheitshalber nicht mehr am Geldmarkt, sondern bei der Notenbank an. Die Folge: Die vorher privaten Kreditbeziehungen werden öffentliche Kreditbeziehungen. Das sind dann die Target-2-Forderungen. Genau das ist seit der Finanzkrise von 2007 an geschehen.
Über die Haftung aus diesen Target-2-Forderungen wird viel diskutiert. Die Bundesbank weist sie als Forderungen gegen die EZB aus. Da besteht eigentlich kein Risiko und auch keine Haftung, die EZB ist – jedenfalls zum Teil – ihre eigene Tochter. Ökonomisch steht dahinter jedoch der Kapitalexport, der den Salden der Leistungsbilanz und des sonstigen Geldverkehrs zwischen den einzelnen Staaten der Währungsunion gegenübersteht. Deutschland als Überschussland hat traditionell Forderungen, Spanien und andere Defizitländer haben Verbindlichkeiten. Wenn eines oder mehrere Defizitländer zahlungsunfähig würde, dann sind die Forderungen Deutschlands an das Land nicht mehr werthaltig. Sie müssten wertberichtigt werden.
Freilich sollte man diese Position nicht mit den Rettungsschirmen gleichsetzen. Wie bei den ELAs handelt es sich hier um effektive Kredite und nicht um Höchstgrenzen. Zudem hat das Ganze nichts mit den Schulden der öffentlichen Hand zu tun. Es ist eine Konsequenz der Leistungs- und Kapitalbilanzsalden.
Mit heißer Nadel gestrickt
Selbst wenn man die ELAs und die Target-2-Salden herausrechnet: Bei den Rettungsschirmen
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