Rettet den Euro!: Warum wir Deutschland und Europa neu erfinden müssen (German Edition)
handelt es sich um einen Batzen Geld. Es sind etwas mehr als 10 Prozent des Bruttoinlandsprodukts des Euro-Raums. Viel Geld für etwas, was für das Funktionieren der Währungsunion gar nicht notwendig ist, nach Ansicht mancher dem Geist der Währungsunion vielleicht sogar widerspricht!
Auch ich war entsetzt, als ich zum ersten Mal von diesen Größenordnungen hörte. Skeptisch machte mich zudem, dass die Rettung nicht von langer Hand geplant war, sondern in einer Wochenendsitzung der Staats- und Regierungschefs in Brüssel (7. bis 9. Mai 2010) mit heißer Nadel gestrickt wurde. Wie so oft in der Politik bekommt ein solches Projekt dann ein Eigenleben, wird perpetuiert und in ein langfristiges Konzept verwandelt. Von »Non-bail-out« ist mit einem Mal nicht mehr die Rede. Man nahm dabei sogar in Kauf, dass die ganze Aktion vom deutschen Verfassungsgericht gestoppt werden könnte. Tatsächlich liegen in Karlsruhe auch Klagen gegen den Rettungsschirm vor.
Man kann den Rettungsschirm angesichts der Entstehungsgeschichte für Teufelszeug halten. Ich möchte nicht so weit gehen. Zunächst war der Rettungsschirm eine Notmaßnahme. Sie sollte eine Ausbreitung der griechischen Probleme auf weitere Länder verhindern. Sie sollte darüber hinaus die Gemeinschaft insgesamt stabilisieren und wieder Ruhe in das System hineinbringen. So ganz ist das nicht gelungen.
Aber niemand weiß, was passiert wäre, wenn es den Schirm nicht gegeben hätte. Ein Default von Griechenland, Irland, Portugal und vielleicht weiteren Staaten wäre nicht auszuschließen gewesen. Es ist nicht unüblich, dass in schweren Krisen der Staat mit Rettungspaketen eingreift. In der Finanz- und Wirtschaftskrise der Jahre zuvor hatte Deutschland zum Beispiel nicht nur ein Konjunkturankurbelungsprogramm auf den Weg gebracht, sondern auch den Finanzmarkt-Stabilisierungsfonds Soffin.
Darüber hinaus ist es kein abwegiger Gedanke, auch generell einen Rettungsschirm zu etablieren. Jeder weiß, dass auch in einem perfekten Haus immer etwas Unvorhergesehenes passieren kann. Es ist gut, wenn man auf solche Unwägbarkeiten vorbereitet ist. Bei der Schaffung des Bretton-Woods-Systems nach dem Zweiten Weltkrieg mit festen Wechselkursen für die Weltwährungen hat man eine Art »Rettungsschirm« geschaffen – das war damals der Internationale Währungsfonds. Er sollte bei größeren Zahlungsschwierigkeiten einzelner Länder mit Krediten helfen. Es gibt ihn heute noch, und keiner stört sich daran. Im Gegenteil, er leistet gute Arbeit.
Jeder vorsorgende Familienvater hat einen Notgroschen für den Fall der Fälle zu Hause. In Städten und Gemeinden gibt es eine Feuerwehr, die eingreift, wenn es brennt. Allein ihre Existenz bedeutet für die Bürger Sicherheit und bewahrt vor unliebsamen Überraschungen. Die Feuerwehr dient nicht nur dazu, den unmittelbar Betroffenen zu helfen. Sie soll auch das Übergreifen eines Brandes auf andere Häuser verhindern. Sie schützt die Gemeinschaft insgesamt.
In einer Währungsunion ist ein Rettungsschirm eine Art Feuerwehr. Sie springt ein, wenn Schuldner sich anderswo kein Geld mehr besorgen können. Sie schützt damit nicht nur die betroffenen Länder, sondern auch die Gemeinschaft insgesamt. Das ist ein ganz wichtiger Punkt. Wer in den Schirm Geld einzahlt, bringt kein Opfer, wie oft gesagt wird. Er schließt praktisch eine Versicherung ab, die ihn auch selbst schützt. In dem neuen Europäischen Stabilisierungsmechanismus ESM wird als Ziel ausdrücklich formuliert, »to safeguard the stability of the Euro area as a whole« (die Stabilität des Euro-Gebietes insgesamt zu sichern).
Ein Rettungsschirm muss zeitlich nicht auf die Krise beschränkt sein. Auch eine Feuerwehr schafft man nicht ab, wenn es ein halbes Jahr nicht gebrannt hat. Jeder weiß, dass es wieder brennen kann und auch brennen wird. Genauso ist es mit gesamtwirtschaftlichen Krisen.
Freilich birgt ein dauerhafter Rettungsschirm auch Risiken. Man muss ihn daher sehr sorgfältig konstruieren. Das Geld darf nicht als Manövriermasse für klamme Haushalte zur Verfügung stehen. Es muss genau definiert werden, unter welchen Umständen es in Anspruch genommen werden darf. In einer Gemeinde kann man die Feuerwehr auch nicht dazu benutzen, im Sommer den Rasen im Garten des Bürgermeisters zu sprengen.
Hilfen aus dem Schirm sind zudem nicht dafür da, dass sie à fonds perdue geleistet werden. Sie müssen Hilfen zur Selbsthilfe sein. Das Empfängerland muss die
Weitere Kostenlose Bücher