Rettet unser Geld
nur noch der Weg eines zeitweiligen Ausscheidens der D-Mark und eventuell auch des holländischen Guldens aus dem Wechselkursmechanismus übrig.«
Laut dem damaligen Bundesbankpräsidenten hätte dies nichts anderes bedeutet, als dass es zu einer Aufspaltung des europäischen Währungssystems gekommen wäre, dessen Festschreibung
im Euro man längst ins Auge gefasst hatte. Als die Beneluxländer und Dänemark sich gegen den französischen Vorschlag aussprachen, drohte nicht nur ein »vorübergehendes Ausscheiden der D-Mark aus dem Wechselkursmechanismus des Europäischen Währungssystems«, sondern die Entstehung von »de facto zwei Wechselkursverbünden«: Es hätte fortan den »bisherigen mit dem französischen Franc als Referenzwährung sowie einen neuen Verbund um die D-Mark herum« gegeben, »wobei noch unklar war, welche sonstigen Währungen neben den Benelux-Währungen und der Dänen-Krone sich diesem D-Mark-Verbund« angeschlossen hätten. Einig war man sich »über die voraussichtliche Bewertung dieser beiden Wechselkursverbünde durch die internationalen Märkte«: Der »D-Mark-Verbund würde sich als stärker erweisen«. Tietmeyer zeigt uns heute, wie zutreffend doch die alte Lebensweisheit ist: »Es war alles schon einmal da.«
Wenn ich heute für eben diese Aufteilung plädiere, dann nicht, um Deutschlands Licht, in Abwandlung des Bibelworts, »über den Scheffel« zu stellen, sondern um Europa zu der wirtschaftlichen Kraft zu verhelfen, die durch den Einheits-Euro gelähmt wird. Die dafür mitverantwortlichen Temperamentsunterschiede hat der niederländische Schriftsteller Leon de Winter im Brüsseler Mai zusammengefasst: »Dem Norden Europas«, so schrieb er in einem Spiegel -Essay, »wo härter gearbeitet wird, mehr gespart wird, Tannen wachsen und es öder ist und die Bürger im Allgemeinen ein von Verantwortung geprägtes Verhältnis zum Staat haben, steht der Süden gegenüber, wo man Siesta hält, sich erst nach zehn Uhr abends zum Essen setzt, Stiere durch die Straßen getrieben werden und es ein Volkssport ist, die Behörden übers Ohr zu hauen.« Seine Aufzählung mündet in der resignierten Feststellung: »Uns Nordlichtern wird nun dank der Regeln, die die Eliten aufgestellt
haben, die Schuldenlast der Südländer aufgebürdet.« Warum das überhaupt geschieht, bleibt dem Mann aus Amsterdam ein Rätsel. »Mir ist nie klar, was Menschen damit sagen wollen, dass sie sich als Europäer bezeichnen. Für mich ist und bleibt Europa ein geografischer Begriff.«
Dass es Probleme bereiten würde, Nordlichter und Südländer zusammenzuspannen, um einen gemeinsamen Wagen namens Europa zu ziehen, das hätten sich die ehrgeizigen Gründungsväter der EU denken können. Aber sie wollten es nicht wahrhaben, denn der Traum von der »europäischen Familie« war einfach zu verführerisch. Die heutigen Probleme, so schrieb die Süddeutsche Zeitung im Juni 2010, »reichen bis in die Geburtsstunden des Euro zurück. Schon damals haben Ökonomen vor den Konstruktionsfehlern des Euro gewarnt«. Als beispielhaft für die damaligen Euro-Skeptiker zitierte das Blatt den Wirtschaftsnobelpreisträger Milton Friedman, der damals meinte, für ein derart heterogenes Wirtschaftsgebiet sei eine gemeinsame Währung unmöglich. »Euroland«, so prophezeite er, »bricht in fünf bis fünfzehn Jahren auseinander«.
Zwei Monate vor seiner Entlassung war der damalige Bundesbanker Thilo Sarrazin gefragt worden, wie es angesichts der massiven Stützungsmaßnahmen mit dem Euro weitergehen solle. »Eine Währungsunion«, so antwortete Sarrazin der Süddeutschen , »sollte auf mindestens hundert Jahre angelegt sein, doch Europa hat schon in zehn Jahren so gewaltige Spannungen aufgebaut, dass sich alle fragen: wie soll es weitergehen?« Als die FAZ von ihm wissen wollte, ob der Euro möglicherweise »ein Fehler« gewesen sei, antwortete er: »Hätten Sie mich 1998 gefragt, hätte ich nein gesagt.« Schade, dass dieser Mann nicht mehr im Vorstand der Bundesbank sitzt …
Mir ist es damals genauso ergangen, und ich gebe das auch gern zu. Vielleicht war das die größte professionelle Fehleinschätzung
meines Lebens. Der Euro schien mir gerade deshalb so vertrauenswürdig, weil er durch einen klaren Gesetzesrahmen stabilisiert und abgesichert worden war. Hätte ich 1998 geahnt, dass schon bald darauf Gerhard Schröder und Jacques Chirac und später Angela Merkel und Nicolas Sarkozy die Maastricht-Verträge zu Makulatur erklären
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