Rettet unser Geld
Unabhängigkeit der Mitglieder erhalten
bleibt. Übrigens plädiere ich für letztere Alternative: Statt eines Vaterlands namens Europa wünsche ich mir ein Europa der Vaterländer.
Auf den Punkt hat dies eine Schweizer Tageszeitung gebracht. »Die Menschen in Europa«, so schrieb die NZZ im Juni 2010, »wollen nicht einen europäischen Superstaat, sie wollen als Deutsche oder Franzosen, als Italiener, Spanier, Niederländer, Polen usf. Europa gestalten und mittragen«. Deshalb sollte die Gemeinschaft sich als »Wächter der Subsidiarität« und »Vetomacht gegen gouvernementale Regelungswut« verstehen. Mit anderen Worten, Brüssel muss die Macht, die es so geschickt an sich gezogen hat, wieder abgeben und sich nicht als Herrin der Nationen gebärden, sondern zur Vermittlerin divergierender Interessen werden.
Wer dagegen die zentralistische Einheit beschwört und die Solidarität mit ihr kategorisch eingefordert, der übersieht, dass es in der Wirklichkeit auch damit nicht so weit her ist. Nehmen wir das Beispiel Griechenland: Um mehr als andere Länder von Brüssel kassieren zu können, hat Athen weniger als andere bezahlt, und das wenige, das es bezahlte, sich von anderen auslegen lassen. Ebenso schamlos, wie es den Betrug an der Gemeinschaft beging, forderte es die Solidarität der zumeist deutschen Steuerzahler ein.
Kaum hatte man das griechische Rettungspaket geschnürt und die deutsche Delegation den Groll darüber hinuntergeschluckt, im rechten Augenblick nichts gesagt zu haben, kam der nächste Akt tätiger EU-Solidarität: Die Slowakei, einst Teil der Tschechoslowakei, hatte infolge des Untergangs des Ostblocks ihre Souveränität erlangt und war 2004 in die EU aufgenommen worden. Nun kam die erste Bewährungsprobe, sich europäisch-solidarisch zu erweisen, indem man dem Rettungspaket für das notleidende Athen zustimmte. Von den 110 Milliarden
hätte das Ländchen mit seinen fünfeinhalb Millionen Einwohnern gut 800 Millionen übernehmen sollen. Doch es wollte nicht. Daraufhin warf Wirtschaftskommissar Olli Rehn den Slowaken unsolidarisches Verhalten vor, was wiederum eine entschiedene Gegenreaktion auslöste: Die Slowakei stellte sich stur. »Ich lehne eine Solidarität mit denen ab«, sagte Ministerpräsidentin Iveta Radičová der Zeit , »die unverantwortlich sind«.
Eine gute Einstellung, finde ich - nur würde sie, konsequent angewandt, das Ende des Euro bedeuten. Entsprechend heftig, geradezu wütend hörte sich die Kritik an, die von den anderen Europäern geäußert wurde, die, wie die Zeit meinte, »möglicherweise ähnlich gedacht, aber anders gehandelt haben«. Man erinnere sich, dass es im Vorfeld der Rettungsaktion geheißen hatte, entweder alle beteiligen sich oder keiner, da Gemeinschaft nicht teilbar sei. Nun scherte einer aus, und der Rest musste nolens volens seinen Anteil mit übernehmen.
Es gehört wenig Fantasie dazu, sich vorzustellen, was geschehen würde, wenn die nächste Rettungsgroßaktion anliefe und diesmal nicht nur die Slowakei, sondern eine ganze Anzahl von EU-Ländern »passten« und sich aus Mitspielern vorübergehend in Zuschauer verwandelten, die gespannt verfolgten, wer den »Schwarzen Peter« bekommt. Ich fürchte, ich weiß schon, wer ihn bekommt, da er längst auf ihn abonniert ist - und zugleich fällt mir eine ebenso spannende Alternative zum Schwarzen-Peter-Spiel ein:
Wie wäre es, wenn wir selbst uns davonmachten? Wenn Deutschland, wie die Slowakei, sein gutes Recht in Anspruch nähme, Nein zu sagen? Traumhafte Vorstellung! Aber leider weiß ich auch, dass wir Deutschen nicht Nein sagen können: Wir sind nicht die Letzten, sondern die Ersten, die die Hunde beißen, das hat sich längst herumgesprochen - und deshalb
kann man mit deutschem Geld auch so interessante Schutzschirme aufspannen.
Dennoch frage ich: Wie wäre es, wenn die Deutschen zur Abwechslung einmal die Initiative ergriffen und auf eine Alternative drängten? So alternativlos, wie unsere Kanzlerin es im Bundestag behauptete, ist das Aufspannen neuer Schutz- und Rettungsschirme eben nicht. Und hier ist die Alternative: Wir müssen einfach den Mut aufbringen, Nein zum bisherigen Euro zu sagen, und auf dessen Aufteilung drängen. Ein Nord-und ein Süd-Euro würden den Deutschen und der Gemeinschaft nützen. Denn von beiden neuen Währungen würde jede für sich eine bessere Chance haben, am internationalen Markt zu bestehen.
Man würde getrennt marschieren - und gemeinsam erfolgreich
Weitere Kostenlose Bücher