Rettungskreuzer Ikarus Band 005 - Requiem
die Kapsel, als sie aus der im Steigflug immer schneller werdenden Ikarus hinausgeschleudert wurde. Die Flüchtenden wurden arg hin- und hergeschüttelt,
und die Steuerautomatik zündete die Triebwerke des Fahrzeugs, die sich
vom weiter beschleunigenden Schiffskörper der Ikarus fortkatapultierte
und eine parabolische Bahn in Richtung Planetenoberfläche einschlug. Die
Rettungseinheiten waren in der Lage zu landen, doch erst einmal sollte Abstand
zwischen dem Schiff und den Fliehenden gewonnen werden.
Und das war auch gut so.
Ein blendend weißes Licht und der grollende Donner einer mächtigen
Explosion wischte alle Gedanken fort. Die Kapsel taumelte und konnte kaum den
Kurs halten. Harte, metallische Geräusche erklangen, als etwas gegen die
Außenhülle prallte und die Struktur erschütterte. Die Flugbahn
wurde instabil, als eine mächtige Druckwelle sie hinfort fegte und wie
ein Blatt im Wind durch die Atmosphäre des Planeten trieb.
Mit tränenden Augen kämpfte Sonja zusammen mit der Steuerautomatik
um die Stabilität des Fahrzeugs, während in ihrem Hinterkopf die Erklärung
für diese Gefahr deutlich in ihrem Bewusstsein stand.
Der Rettungskreuzer musste explodiert sein!
Die Ikarus war explodiert!
Das war doch unmöglich!
Der Kurs der Kapsel stabilisierte sich, und ein Bildschirm flammte auf. Der
Regen von Trümmerstücken, der von dort hinabfiel, wo eben noch die Ikarus in den Himmel gestiegen war, sprach eine deutliche Sprache. Fassungsloses
Entsetzen machte sich in der Fluchteinheit breit.
Während der Autopilot die Kapsel zu Boden führte, starrten alle nur
mit großen, ungläubigen Augen auf die Katastrophe, der sie gerade
noch entkommen waren. Es gab nichts zu sagen, und es war auch kaum möglich,
die Ohnmacht in ihnen zum Ausdruck zu bringen. Sonja DiMersi fühlte eine
Leere, wie sie sie seit dem Ende der Oremi nicht mehr empfunden hatte.
Sie wusste, dass sie diesmal keine erkennbare Schuld traf, doch das machte es
nicht einfacher.
Und die erste, heilsame Emotion, die die Leere beiseite drängte, war ein
heiliger Zorn.
Das Bordgehirn des Wracks hatte die Explosion des Ushu-Schiffes mit Befriedigung
akzeptiert, wenngleich offenbar Teile der Besatzung der Katastrophe hatten entfliehen
können. Jetzt konzentrierte es sich auf die Wiederherstellung der Reparaturmoleküle,
um den eigenen Aktionsradius zu erhöhen. Es gab so gut wie keine technischen
Gerätschaften mehr, auf die es Einfluss nehmen konnte, so dass es sich
nunmehr der Ordnung dieser Welt bedienen musste, um die überlebenden Ushu-Träger
zu eliminieren. Die Prioritäten waren klar, und es gab keine Alternative.
Die verwirrten und fragenden Impulse der abgetrennten Einheit des Ichs störten
das Bordgehirn etwas, doch es war ihm noch kein direkter Zugriff gelungen. Bedauerlicherweise
verbrauchte auch dieser unproduktive, ziellose Teil Energie, die eigentlich
besser für andere Zwecke verwendet werden sollte. Doch ließ sich
das Bordgehirn davon nicht ablenken – auch dann nicht, als es vage durch
die Rudimente der wiederhergestellten Sensoren wahrnahm, dass die Ushu-Träger
sich zusammengerottet hatten und das Wrack wieder betraten. Da die Verbindung
zur Ordnung keiner Energie bedarf, da das Bordgehirn ja Schöpfer und Teil
dieser Ordnung war, konnte es diese beliebig einsetzen, sobald es die geweckten
Instinkte ausgelöscht hatte.
Das war absolut kein Problem.
»Chief, ich kann Sie gut verstehen!«
Sonja DiMersi machte sich aus der spontanen Umarmung Sentenzas los. Das Wiedersehen
mit dem Captain hatte sie für kurze Zeit erleichtert, als die drei Überlebenden
der Explosion aus der mehr schlecht als recht gelandeten Rettungskapsel geklettert
waren und etwa drei Kilometer durch den Dschungel hatten marschieren müssen,
ehe sie die Lichtung wieder erreicht hatten. Auf dem Weg dorthin hatte Sonja
DiMersi mehrere Energiemagazine ihres Laserkarabiners leergeschossen, doch die
Wut, die sie beseelt hatte, war dadurch nur unwesentlich gedämpft worden.
»Captain, dieses Wasauchimmer hat unser Schiff zerstört!«
Sentenza nickte. Seinem Gesicht war anzusehen, dass der Verlust ihn ebenso schmerzte
wie Sonja. Trotzdem hielt er die Abstrahlöffnung des schweren Schneidbrenners
umklammert und suchte den direkten Kontakt mit Sonjas Augen, in denen er wilde
Entschlossenheit erkannte.
»Chief, das macht keinen Sinn! Wenn wir jetzt Angriffe gegen das
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