Rettungskreuzer Ikarus Band 019 - Die Knotenwelt
hatte, ragte aus ihrer Brust empor. In dem dämmrigen
Zwielicht zwischen den Häusern erkannte Taisho einen dunklen Fleck, der
sich um die Waffe herum, auf der hellen Kleidung ausbreitete.
Jason? Wo war der rothaarige Wahnsinnige?
Taisho blickte sich um.
Dort, auf der Straße an eine Hauswand gelehnt, saß Jason Knight.
Den Kopf in die Hände gestützt, vor sich einen der Grünen reglos
liegend.
Einen weiteren Angreifer konnte Taisho nicht ausmachen. Auch sonst blieb es
unheimlich ruhig auf der Straße. In den Häusern gingen keine Lichter
an, niemand bot seine Hilfe oder Unterstützung irgendwelcher Art an. Die
leichte Brise, die zu ihrem ständigen Begleiter zwischen den Häuserschluchten
geworden war, ließ den jungen Mann frösteln. Er strich sich fahrig
durch die braunen Haare, als ob er sich nicht sicher war, was er jetzt zu tun
hatte, wohin er sich wenden sollte.
Er wusste es genau!
So wie er mehr als nur ahnte, was ihn erwarten würde.
Langsam, als ob eine zentnerschwere Last auf seinen Schultern läge, machte
Taisho einen Schritt auf die Frau zu. Auf Sessha. Auf die am Boden liegende
Sessha. Die sterbende Sessha.
Eine scheinbar endlose Zeitspanne verging, bis Taisho endlich neben ihr auf
die Knie sank, ihren Kopf leicht anhob und das langsame Pulsieren der Sternentätowierung
wahrnahm. Ein Pulsieren, das immer langsamer wurde. Immer weniger hell aufleuchtete,
sein Strahlen offenbar mit dem Leben der Weißhaarigen verlor.
Schwach zitterten die Augenlider, hoben sich, und die blauen Augen blickten
Taisho entgegen. Zogen ihn in ihren Bann, ließen ihn die Strapazen, den
Ärger, den Verlust für einen kurzen Moment vergessen.
»Du musst weiter machen!« Nur leise gehaucht waren die Worte. Doch
Taisho konnte sie klar und deutlich vernehmen.
»Du musst ihm helfen!«
»Warum? Warum tun wir das? Warum opfern wir uns für ihn? Oder für
eine Idee? Welchen Sinn hat das ganze?«
»Das, mein guter Taisho, werde ich wahrscheinlich bald erfahren.«
Für eine kurze Zeit, schien das Strahlen, das Leuchten in Sesshas Gesicht
zurück zu kehren. Ein breites Lächeln ließ Taisho erneut Abstand
von weiterem Wehklagen nehmen.
»Aber was dich angeht: Er«, Sessha neigte den Kopf in Richtung Jasons,
der immer noch, nichts wahrnehmend am Straßenrand saß, »Er
ist der Grund. Er und seine Gefährtin. Wer weiß, vielleicht sind
die beiden tatsächlich so etwas wie ein Schlüssel? Finde du es heraus,
mein Freund.«
»Ein Schlüssel? Zu welcher Tür, Sessha? Zu welchem Tor? Und wollen
wir wirklich öffnen was so lange verschlossen war? Was wird uns dort erwarten?
Wird ...«
Der Kopf der Frau war schwer geworden in Taishos Händen. Der in die Haut
eingezeichnete Stern pulsierte. Erst langsam, doch plötzlich immer schneller.
Wie gebannt kniete Taisho neben Sessha und konnte nichts tun als zusehen, wie
das Leben aus ihr entwich. Er hielt ihren Kopf und strich durch das weiße,
lange Haar. Ein letztes Mal glühte die Tätowierung auf ...
Dann war da nur noch Dunkelheit.
Taisho fröstelte.
Erst jetzt nahm er wieder den kühlen Windhauch wahr, spürte die Kälte,
die mit dem Einsetzen der Dämmerung rapide zunahm. Der allgegenwärtige
Wind hier unten am Boden, zwischen all den Hochhäusern, den Bauten, die
anderen Menschen, Lebewesen, Schutz gewährten. Schutz, den Sessha nicht
besessen hatte. Keine Rettung für die Toten. Kein Trost für die Lebenden.
Taisho hatte die Augen geschlossen, kniete immer noch, den Kopf der Toten stützend,
auf der Straße. Er wollte sich dem nicht stellen. Dem Ziel, der Suche,
ihrer Aufgabe ...
Nichts von allem ging ihn irgendetwas an. Gar nichts. Weder Jasons Suche nach
seiner Freundin, der Frau in Lila, noch Ansarek und ihr verzweifelter Versuch,
Leben in einem Universum des Todes zu finden. Vergeblicher Protest gegen ...
Ja, gegen was?
›... vielleicht sind die beiden tatsächlich so etwas wie ein Schlüssel‹,
die letzten Worte Sesshas. Wer war sie, dass sie selbst im Sterben noch Worte
des Trostes, der Aufmunterung für andere fand? Warum musste sie sterben?
Eine Hand legte sich schwer auf Taishos Schulter.
Alle Lethargie fiel urplötzlich von ihm ab. Er drehte sich unter der Hand
weg, sprang auf und einen Schritt über Sesshas Leichnam zurück.
Die schwermütigen, braunen Augen, die in dem über und über behaarten
Gesicht funkelten, ließen ihn einhalten, seinen geplanten Angriff auf
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