Rettungskreuzer Ikarus Band 026 - Antagonist
manche mochte
das wie eine Flucht aussehen.
Sentenza setzte einen Fuß auf das Deck der Antagonist und stellte
mit Überraschung fest, dass die Marines, die vor ihm in Habachtstellung
gingen, nicht nur saubere Uniformen trugen, sondern auch vollständig angetreten
waren. Ein Sergeant ließ die Pfeife erklingen. Dann trat eine schlaksige,
brünette junge Frau auf ihn zu. Ihre Uniform war fleckig, durchgeschwitzt
und wies Brandspuren auf. Ihre Haare waren offenbar eilig zurechtgemacht, und
ihre Augen sprachen von der tiefen Erschöpfung, die sie verspürte.
Sie salutierte vor Sentenza und machte vorschriftsmäßig Meldung.
Sentenza, der sich in seiner schlichten Corpsmontur etwas deplatziert vorkam,
hörte sich das Zeremoniell geduldig an. Dann leistete er seinen eigenen
Beitrag.
»Ensign Jamelia Wild, auf Anordnung des Oberkommandierenden der Allianzflotte
und mit schriftlichem Befehl entlasse ich Sie aus dem Kommando des Schlachtkreuzers Antagonist und übernehme hiermit das Kommando.« Es folgten
genaues Datum und Uhrzeit. Sentenza überreichte Wild einen Ausdruck des
schriftlichen Befehls, der erst vor knapp zehn Minuten vom Flaggschiff gekommen
war. Wild bestätigte, ihr war die Erleichterung anzusehen. Doch würde
diese nicht lange vorhalten, denn sie würde erneut einen Posten annehmen
müssen, der deutlich über ihrer sonstigen Verantwortung lag.
»Ensign Wild, ich ernenne Sie hiermit zu meiner Ersten Offizierin. Bitte
führen Sie mich auf die Brücke.«
Wild nahm auch dies bestätigend zur Kenntnis. Natürlich musste sie
im Stillen damit gerechnet haben. Sentenza verabschiedete die Empfangskompanie
formell.
»Von den Marines haben Sie offenbar niemanden verloren«, meinte er
lächelnd, als er neben Wild durch das Schiff lief. Er kannte sich hier
blind aus. Ein seltsames Gefühl von Vertrautheit stellte sich ein.
»Ja, Sir. Ich meine: Nein, Sir. Die Verluste halten sich in sehr engen
Grenzen. Es war wohl eine Laune des Schicksals, dass es vor allem die Kommandooffiziere
erwischt hat, Captain. Ich bin sehr froh, dass Sie da sind, Sir.«
»Sie sind doch auch ohne mich ganz gut vorangekommen.«
Jamelia Wild lächelte, als sie das Lob hörte. Doch die Erschöpfung
in ihrem ganzen Habitus sprach eine andere Sprache.
»Ich bin dafür eigentlich noch nicht qualifiziert.«
»Das ist man nie, auch nicht in höherem Dienstalter. Das erste richtige
Kommando ist immer etwas, auf das man nie richtig vorbereitet ist.«
»Ja, Sir.«
»Sie wissen, was passieren wird, wenn diese Schlacht vorbei ist, nicht
wahr?«
»Sir?«
Wild blickte ihn aus großen Augen an. Sentenza musste unwillkürlich
grinsen.
»Sie haben ein Großkampfschiff im Kampfeinsatz geführt und werden
nun als XO fungieren. Wenn Sie das überleben, greift die Spezielle Dienstanweisung
der Flotte. Sie werden automatisch zum nächsten Dienstgrad befördert
und erhalten ebenso automatisch eine Dienststelle als XO auf einem Schiff, das
Ihrem Dienstgrad entspricht – eine Korvette oder Fregatte, schätze
ich. Tun Sie sich also den Gefallen und bleiben Sie am Leben. Sie haben soeben
einen großen Sprung in Ihrer Karriere gemacht.«
Die junge Frau lächelte erneut, diesmal deutlich entspannter.
»Davon wusste ich nichts.«
»Ist auch nichts, mit dem in der Flotte groß Werbung gemacht wird.
Man will nicht, dass Leute sich mit Gewalt zu Helden machen. Andererseits haben
viele junge Offiziere so ihren ersten großen Schritt gemacht. Großadmiral
Kallika gehört übrigens auch dazu.«
»Kallika?«
»Während der Schlacht um Attila, vor rund 37 Jahren. Da hat er den
Schweren Kreuzer Sharukh Khan geführt, nachdem ihm so etwas Ähnliches
passiert war wie Ihnen. Hat ihm geholfen, schneller als andere Großadmiral
zu werden.«
Wild schüttelte den Kopf. »Das wusste ich auch nicht. Ein unglücklicher
Brückentreffer wie bei uns?«
Nun war es an Sentenza, den Kopf zu schütteln.
»Nein. Lebensmittelvergiftung. Er erzählt die Geschichte gerne, es
ist der Grund dafür, warum er seitdem nie mehr Rationsfisch angerührt
hat.«
Wild kicherte, fast mädchenhaft. Sentenza entwickelte spontan Sympathie
für die junge Frau.
Dann betraten sie die Brücke – oder was davon übrig war. Sofort
richteten sich zahlreiche Augenpaare auf Sentenza. Sein Blick glitt über
die Verwüstungen bis zum abgedichteten Loch, durch das er ins All schauen
konnte. Dann trat er über die
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