Rettungskreuzer Ikarus Band 028 - Welt der Adlaten
schicksalsergeben. Blieb sie länger
liegen, fehlten ihr diese Minuten unter der Dusche und für das Frühstück.
Dabei mochte sie ihre Arbeit, und dass ihr praktisch alle Zeit des Universums
für Forschungen zur Verfügung stand, konnte als Geschenk des Himmels
betrachtet werden – wären damit nicht auch negative Effekte verbunden
gewesen.
Unsterblichkeit: ewige Jugend und Gesundheit, rasches Heilen von selbst tödlichen
Verletzungen. Das war ein Traum seit Menschengedenken.
Durch Zufall war es ihr, Truman Nadir, Haveri Krshna und Noel Botero gelungen,
ein Mittel zu entwickeln, das alle Hoffnungen zu erfüllen versprach. Erst
nach dem voreiligen Selbstversuch bemerkten sie, dass jeder, der mit ihnen in
Kontakt kam, erkrankte, die Infektion weiter trug und schließlich qualvoll
starb. Jovian Anande war maßgeblich an der Herstellung eines Serums beteiligt
gewesen, das die Ausbreitung der Seuche stoppte und die Kranken heilte. Auf
Ymü-Tepe hatte es viele Opfer gegeben, und wann immer sich Anyada an die
tragischen Ereignisse erinnerte, machte sie sich schwere Vorwürfe. Wäre
das alles vielleicht zu verhindern gewesen?
Noel Botero hatte die Kollegen durch sein Verschwinden mitsamt den Unterlagen
zu diesem unüberlegten Schritt getrieben und eine Kettenreaktion ausgelöst.
Über seinen Verbleib war nichts bekannt. Anyada hoffte, dass er seine gerechte
Strafe erhalten hatte – womöglich war er mit einem kleinen Schiff
geflohen und in einer Sonne verglüht. Anderenfalls hätte man sicher
von ähnlichen Vorkommnissen an anderen Orten der Galaxis gehört. Oder
hatte Botero, hatten seine Geldgeber der Versuchung widerstanden, Juvenil an
sich zu testen? Hatte er geschafft, was ihnen gemeinsam nicht gelungen war,
nämlich die Formel zu vervollkommnen und eine Variante des Juvenils zu
entwickeln, das frei von den verheerenden Nebenwirkungen war?
In den vergangenen Monaten war Anyada zu dem Schluss gelangt, dass Unsterblichkeit
eher ein Fluch denn ein Segen war. Es hatte sie und ihre beiden Kollegen vom
Rest der Menschheit isoliert. Nicht nur stellten sie eine Gefahr dar, da sie
ein tödliches Virus übertragen konnten, sie vermochten auch die Gier
anderer zu wecken. Würden die falschen Leute von ihrer, Nadirs und Krshnas
Existenz erfahren, wäre es bloß eine Frage der Zeit, bis man sie
entführen und für Experimente missbrauchen würde, deren Ziel
die Extrahierung und Weiterentwicklung des Mittels war. Wer Geld und Macht besaß,
konnte dann entscheiden, wer leben durfte und wer sterben musste. Überbevölkerung
und grausame Kriege mochten die Folgen sein.
Nein, es war nicht richtig, dass Menschen sich anmaßten, über Leben
und Tod zu bestimmen. Sentenza hatte richtig gehandelt, als er sämtliche
Aufzeichnungen und jeden Tropfen Juvenil vernichten ließ, aus dem neues
Unheil hätte entstehen können. Kurz fragte sich Anyada, als sie das
Wasser der Dusche aufdrehte, ob es einer der Beteiligten im Nachhinein bereut
hatte. Dabei dachte sie vor allem an Anande, der sicher neugierig genug war,
um weitere Experimente in dieser Richtung zu unternehmen, öffentlich oder
insgeheim.
Das warme Wasser rann angenehm über ihre bräunliche Haut, die durch
den Schimmer des Schutzfilms eine Nuance dunkler geworden war. Das dunkelgrüne
Haar glänzte fast Schwarz durch die Nässe. Die Schicht schränkte
das Fühlen nicht ein. Obwohl sie Schweiß absorbierte und verhinderte,
dass sich Staub unmittelbar auf Haut und Haar ablagerte, nahm sie die Partikel
und Gerüche der Umgebung auf wie ein Kleidungsstück und musste ebenso
gereinigt und nach einiger Zeit erneuert werden. Dank dieser Erfindung konnten
sie sich wieder unter Menschen wagen, hätten theoretisch zu einem relativ
normalen Leben zurückkehren können, müssten sie nicht die Entdeckung
ihres Geheimnisses befürchten. Denn wer wurde nicht irgendwann stutzig,
wenn er selbst an den Gebrechen des Alters zu leiden anfing, während der
Freund keinen Tag älter schien als bei der ersten Begegnung? Auch einen
schrecklichen Unfall, bei dem der widerstandsfähige Schutzfilm ein Leck
erlitt, durfte nicht ausgeschlossen werden.
Anyada aktivierte den Fön, der ihren Körper und ihr langes Haar trocknete.
Danach schlüpfte sie in einen bequemen Zweiteiler und legte sich den Laborkittel
über den Arm. Diesen wollte sie erst nach dem Frühstück anziehen.
Sie war froh, dass sie
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