Rettungskreuzer Ikarus Band 034 - Die Verschwörer
außer Acht.
»Sie wollten mich sprechen, Ma'am?«
»Setzen Sie sich, Captain.«
Sentenza ließ sich in den Sessel fallen, der gegenüber dem wuchtigen
Schreibtisch stand. Das Sitzmöbel war ein wenig niedriger, so dass man
immer zu Old Sally aufblicken musste, sofern man nicht mindestens drei Meter
fünfzig groß war. Noch ein kleiner, wirksamer Trick.
Sally McLennanes Finger waren verschränkt. Die mächtigste Frau des
Raumcorps sortierte keine Unterlagen, spielte nicht mit irgendwelchen Gegenständen
– sie hatte tatsächlich auf Sentenzas Eintreffen gewartet, ungeduldig,
auch wenn sie sich das nicht anmerken ließ. Allerdings kannte er sie lange
genug, um die Maske durchschauen zu können.
Erwartungsvoll blickte Sentenza seine Vorgesetzte an.
Sally McLennane begann ohne Umschweife. »Jemand hat sich in geschützte
Bereiche unserer Datenbank eingehackt.«
»Oh«, machte Sentenza nur und wunderte sich, weshalb ihm das mitgeteilt
wurde und nicht dem Chef des Sicherheitsdiensts und den zuständigen Spezialisten.
»Und ich meine damit nicht nur gesperrte Sektionen des Computer-Systems
von Vortex Outpost sondern auch Daten, auf die außer mir keiner
Zugriff hat.«
»Etwa auch ...«
»Nein, über die Bombe hatten wir keinerlei Informationen gespeichert.
Wie dieser Vorfall zeigt, könnte die Maßnahme, die vielfach kritisiert
wurde, nun zu unserer Rettung beigetragen haben.« Sie schüttelte den
Kopf. »Es ist wirklich kaum zu glauben, dass es jemandem gelungen ist,
unsere Schutzprogramme zu überlisten. Die Sicherheitsvorkehrungen werden
ständig aktualisiert und Passwörter geändert – da kommt
normalerweise keiner so ohne weiteres rein. Die Frage, auf die ich zu gern die
Antwort wüsste, lautet: Wer ist in der Lage, unsere modernsten Schutzmechanismen
außer Kraft zu setzen und seine Spuren zu verwischen? Haben wir die Antwort,
haben wir auch den Täter.«
Sentenza verspürte Erleichterung, weil das am strengsten gehütete
Geheimnis immer noch eines war.
Zwar war bekannt, dass an einer Waffe gearbeitet wurde, und die Gerüchteküche
brodelte nicht wenig, doch nur einige Vertraute Sally McLennanes, die Ikarus -Crew
und die involvierten Wissenschaftler wussten um die Details. Auch das gehörte
zu den Sicherheitsvorkehrungen.
Dass die Baupläne der Bombe nicht im Stations-Computer gesichert
worden waren, sondern offenbar anderswo verwahrt wurden, war allerdings neu
für Sentenza. Weshalb zog Old Sally ausgerechnet ihn so unerwartet ins
Vertrauen?
Um Zeit zu gewinnen, räusperte er sich.
»Ich bin kein Experte. Vermutlich könnte jemand anderes Ihre Frage
besser beantworten.«
»Es geht nicht um das Wie«, schnaubte Sally McLennane, »sondern
um das Wer. Sie sind ziemlich herum gekommen in den vergangenen Wochen und haben
eine Menge Leute getroffen. Können Sie sich jemanden vorstellen, der nicht
nur ein Motiv sondern auch die Möglichkeit hätte?«
Plötzlich dämmerte es Sentenza. Old Sally hatte längst einen
Verdacht und hoffte auf Bestätigung. »Wenn jemand über eine entsprechende
Technologie verfügt, sollte er auch fähig sein, alle Hinweise auf
seine Aktivitäten zu vernichten. Könnte es sich um einen Fehler im
System handeln? Oder sollten wir es bemerken? Der Täter wollte uns vielleicht
nervös machen und zu überstürztem Handeln verleiten, erst recht
dann, wenn er nicht gefunden hat, wonach er suchte.«
»Ganz sicher hat er das nicht«, erwiderte Sally McLennane. »Eigentlich
hätten wir nichts bemerkt, aber der glückliche Zufall war ausnahmsweise
auf unserer Seite.«
»Darf ich mehr erfahren?«
»Einer der Techniker beobachtete einen außergewöhnlich hohen
Datentransfer. Zunächst dachte er sich nichts dabei, da er den Vorgang
für ein routinemäßiges Backup hielt. Als er jedoch später
die Protokolle checkte, passten die angegebenen Werte nicht. Daraufhin prüfte
er das System, konnte aber nichts entdecken, was auf einen Fehler oder eine
Manipulation hingewiesen hätte. Das kam ihm merkwürdig vor. Er machte
Meldung.«
»Und?«
»Sein Vorgesetzter glaubte erst, es könnte sich um Outsider-Hysterie
handeln. Die Leute sehen plötzlich in jedem Schatten einen Outsider. Wenn
die Kaffeetasse herunter fällt, ist ein Outsider schuld. Wenn der Chef
schlechte Laune hat, ist ein Outsider schuld. Wenn ... Lassen wir das. Andererseits
hatte sich der Techniker, laut Personalakte, nie zu
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