Rettungskreuzer Ikarus Band 037 - Nemesis
konnte. Er wollte
Joran erledigen, und das nicht, um irgendwelche übergeordneten Ziele zu
erfüllen, sondern weil er Sonja gequält und sein eigenes Leben für
eine lange Zeit zerstört hatte. Und hier ... hier konnte Streng Freiherr
von Lerk möglicherweise behilflich sein.
Sentenza seufzte innerlich. Erneut wurde von ihm Diplomatie erwartet, ja, sie
war unausweichlich notwendig. Er hasste es. Er war es satt. Es war zum Kotzen.
»Admiral, Sie sehen mich überrascht.«
Streng nickte. »Natürlich.«
»Ich bin tatsächlich überwältigt.«
»Das war zu erwarten.«
»Sie wollen sofort eine Antwort?«
»Nein. Ich bin hier, um Ihnen das Angebot zu übermitteln. Mir wurde
nicht aufgetragen, Sie sogleich zur Krönungszeremonie nach Persephone zu
bringen.«
Sentenza gestattete sich ein Lächeln. Der steife Freiherr hatte tatsächlich
etwas Humor hinter seiner gestärkten Uniform versteckt. Also gut, er wollte
und konnte dem Admiral, der auch nicht mehr als ein aufgepumpter Botenjunge
war, seine unmissverständliche, absolute und unwiderrufbare Ablehnung dieses
abstrusen Vorschlages nicht gleich ins Gesicht schleudern. Das würde er
später tun, wenn er sich abgeregt hatte, Sonja ihm dabei geholfen hatte,
etwas zu formulieren, was keinen interstellaren Krieg mit dem Raumcorps hervorrufen
würde ... etwas in der Art.
Später.
»Freiherr, ich werde Ihnen in der Tat meine Antwort erst später geben
können. Sie sehen ja selbst, dass ich zurzeit vordringlicheren Herausforderungen
gegenüber stehe.«
Streng machte ein bekümmertes Gesicht. »Wenn ich Ihnen irgendwie helfen
könnte, würde ich es tun. Ich würde Ihnen spezielle Enterkommandos
der Raumstreitkräfte anbieten und sofort hierher beordern. Aber nach meiner
Information haben Sie Raumlandetruppen der Schluttnicks zu Ihrer Verfügung
und die dürften nicht viel schlechter sein.«
»Mein Problem ist nicht die Qualität meiner Truppen sondern die Tatsache,
dass Joran in einer Festung sitzt, die wir jederzeit als solche in die Luft
sprengen könnten – was ich aber nicht darf.«
»Auch das Multimperium wäre durchaus daran interessiert, Joran sowie
Meuterer der Flotte unter Anklage des Hochverrates festzunehmen und den Gerichten
übergeben zu können.«
»Joran hat sicher wenig Interesse daran, diesen Weg zu gehen. Er hat sich
so in seinen Wahnsinn hineingesteigert, die Herrschaft über die bekannte
Galaxis anzutreten, dass alles, was nicht diesem Ziel dient, für ihn nicht
mehr wahrnehmbar ist. Seit er von seinem Vater enterbt worden ist, scheint er
vor allem die Wiedererlangung der Macht im Multimperium im Auge zu haben. Natürlich
gewaltsam.«
»Dann wird ihn die Nachricht, dass der Imperator Ihnen die Thronfolge angeboten
hat, endgültig in den Wahnsinn treiben.«
Sentenza war Streng dankbar für diese absolut korrekte Schlussfolgerung.
»Das denke ich auch. Ich würde Sie daher um Hilfe bitten, damit exakt
das passiert.«
Verstehen zeichnete sich in Strengs Gesicht ab.
»Sie wollen Joran provozieren, damit er aus seiner Festung heraus kommt.«
»Exakt.«
»Ich soll ihm mit möglichst viel Pomp und Gedöns von der Entscheidung
des Kaisers Mitteilung machen.«
»Exakt.«
»Und wir sollten beide zu diesem Zwecke direkt vor seiner Tür stehen.«
»Damit er das Gefühl bekommt, es sei eine gute Idee, diese zu öffnen
und herauszustürmen, um uns über den Haufen zu schießen. Exakt.«
Der Gedanke, sich selbst einmal wieder in einen Fronteinsatz zu begeben, schien
für den Freiherrn mit jeder Sekunde an Attraktivität zu gewinnen.
Soweit man das bei einem so beherrschten Menschen überhaupt sagen konnte,
wirkte er fast begeistert.
»Nun, Captain, wie kann ich meinem künftigen obersten Befehlshaber
so einen Vorschlag abschlagen?«, meinte er schließlich.
»Seien Sie diesbezüglich nicht zu voreilig, Freiherr«, mahnte
Sentenza ihn. »Wenn ich sagte, ich würde Ihr Angebot später beantworten,
hieß das nicht, dass ich später zusagen werde.«
»Ich weiß.«
Sentenza ergänzte nichts. Irgendwas in diesem simplen »Ich weiß«
zeigte ihm, dass der Admiral nicht ernsthaft davon ausging, dass Sentenza die
Absicht hatte, ein Imperator zu werden. Dass er aber trotzdem gerne bereit war,
bei Sentenzas psychologischem Trick zu helfen, sprach für ihn.
Sentenza fühlte, wie die Überwältigung sich in freudige, gespannte
Erwartung und grimmige Zuversicht
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