Rettungskreuzer Ikarus Band 037 - Nemesis
riss eine tiefe Furche in das an sich sehr widerstandsfähige Material,
drang jedoch nicht hinab bis an die Haut. Der Captain schüttelte sich,
als wolle er Wasser abperlen lassen, wich wieder zurück, mehr und mehr
fort vom eigentlichen Kampfgeschehen, in dem Schluttnicks und An'ta sich immer
noch mit den Outsidern maßen.
Aber im Grunde war dieser Zweikampf die eigentliche Auseinandersetzung. Die
Welt um ihn herum war für Sentenza nur noch ein lärmendes Etwas, das
er fast bewusst aus seiner Wahrnehmung ausblendete. Seine ganze Konzentration
galt seinem Widersacher, der ihm heulend und schimpfend folgte. Dann spürte
Sentenza die Wand hinter sich, presste seinen Rücken gegen eine feine Erhebung.
Jorans Faust krachte vor, krachte gegen die Gangwand, beulte sie mit Kraft ein,
als Sentenza seinen Kopf instinktiv zur Seite zucken ließ.
Sentenza ließ sich fallen, rollte sich zusammen, drückte den Auslöser.
Aus der kleinen Erhebung am Gang, auf der Höhe von Jorans Brustkorb, knallte
eine Explosion. Eine glühende Energielanze schoss nach vorne, bohrte sich
durch den Oberkörper des Verräters und verschmorte ihn in einer einzigen,
blitzartigen Durchdringung. Joran taumelte zurück, als ob sich sein Körper
nicht entscheiden konnte, jetzt zu sterben oder weiter zu kämpfen. Im verzerrten
Gesicht des Mannes arbeitete es, Erschrecken, Schmerz, Verzweiflung und die
immer noch alles überlagernde Wut kämpften um Vorherrschaft.
Doch dann brach der Blick im biologischen Auge Jorans, und sein Leib sackte
leblos zu Boden. Seine Implantate ließen den Körper noch etwas hin-
und herzucken, als der sterbende Leib sinnlose elektrische Impulse durch die
Nervenbahnen jagte.
Dann, wenige Augenblicke später, lag Joran still. Friedlich fast, sicher
das erste Mal seit vielen Jahren.
Sentenza erhob sich und warf einen Blick auf den toten Mann. Er suchte nach
einem Triumphgefühl in sich, so etwas wie Befriedigung eines lange gehegten
Wunsches. Was er fand, war eine Mischung aus Erleichterung und Dankbarkeit,
eine Art von Katharsis. Er fühlte sich befreit von einer alten Last, das
Ende eines schmerzhaften Alptraums. Jetzt, wo sein alter Feind tot vor ihm lag,
konnte er nichts mehr von dem Hass empfinden, den er ... oder der ihn ... so
lange am Leben erhalten hatte. Ruhe war eingekehrt, und Erschöpfung. Aber
keine Leere sondern die Gewissheit, ein Kapitel zum Abschluss gebracht zu haben.
Ja. Abschluss. Ein gutes Wort.
Sentenza sah hoch und wurde noch Zeuge, wie An'ta den letzten noch kämpfenden
Outsider tötete, mit vorgestreckten Händen und einer Verbissenheit
im Gesicht, die ihr schönes Gesicht beinahe entstellte. Als der sich windende
Leib des Invasors zu Boden ging, entspannte auch sie sich, und wie auf Kommando
blickten sich alle um und sahen den toten Joran und den lebenden Sentenza.
Ein Knacken ertönte, und eine kläglich klingende Stimme wurde im Lautsprecher
hörbar.
»Hallo? Ist da jemand? Wir wollen bitte kapitulieren!«, erscholl es
jammervoll. Selbst Brucnak senkte nun seine Waffe und begann, sich um seine
Verwundeten zu kümmern.
Sentenza seufzte. Ja, das war ein Abschluss.
Den Rest sollte bitte jemand anders übernehmen.
Er wandte sich wortlos ab und trottete zurück zur Ikarus .
Der Leiche des Kronprinzen Joran widmete er keinen Blick mehr.
5.
»Das wäre dann der Letzte!«
Der Offizier wirkte ausgesprochen zufrieden. Serbald konnte es ihm nachfühlen:
Sie hatten soeben den hoffentlich letzten der Fedayin ausgeräuchert, der
sich noch geweigert hatte, seinem ehemaligen Herrn abzuschwören. Er hatte
diese Weigerung mit Inbrunst und Überzeugung ausgesprochen, unter anderem
dadurch, dass er die Soldaten, die ihn zur Aufgabe hatten überreden wollen,
unter Feuer genommen hatte.
»Er ist für seine Überzeugungen gestorben«, ergänzte
der Soldat, als sie die verkohlte Leiche aus der Deckung zogen, hinter der sich
der Fedayin verschanzt hatte. Eine Brandgranate hatte dem Treiben schließlich
ein Ende gemacht, wenngleich Serbald über die Tatsache, dass im Kirchenzentrum
Waffen eingesetzt worden waren, wenig erbaut war.
»Woher wissen Sie, dass es wirklich der Letzte gewesen ist?«
»Wir haben mitgezählt, und Asiano hat über seine Leute gut Buch
geführt. Wir haben sie alle beisammen, tot oder lebendig.«
Serbald nickte stumm und beobachtete, wie zwei Mediker die Leiche in eine Art
Plastiksack
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