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Rettungskreuzer Ikarus Band 037 - Nemesis

Rettungskreuzer Ikarus Band 037 - Nemesis

Titel: Rettungskreuzer Ikarus Band 037 - Nemesis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dirk van den Boom
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verkommen, die er
absolvierte, um die Erwartungen seiner Glaubenskollegen zu erfüllen. Je
mehr und je schneller er in der Kirchenhierarchie aufgestiegen war, desto mehr
war er Politiker geworden und hatte sich von den spirituellen Wurzeln seiner
Tätigkeit entfernt. Der Schritt, Teil der Verschwörung Jorans zu werden,
war dann fast ein natürlicher geworden, und die Tatsache, dass er sich
damit endgültig von den Alten Völkern abgewendet hatte, war weitgehend
irrelevant gewesen.
    Sollte er jetzt also Abbitte leisten? Decorian nahm sich tatsächlich einige
Minuten, um sich diesbezüglich selbst zu erforschen. Doch er spürte
rasch, dass er den Glauben an eine solche Lösung, ja den Glauben überhaupt,
längst verloren hatte. Er war möglicherweise weiterhin zu einem Ritual
fähig, aber es gab niemanden mehr, den er damit beeindrucken konnte. Auf
sich selbst zurück geworfen, blieb ihm nichts anderes mehr als sein eigener
Zynismus, und diese alte, sehr lieb gewonnene Angewohnheit jetzt wieder durch
gläubige Inbrunst zu ersetzen, das erschien ihm mehr als nur absurd, es
kam ihm schlicht albern vor.
    Decorian kam zu dem Schluss, dass ihm all dies keine große Freude mehr
bereitete. Er sah für seine Zukunft schwarz. Die Vorstellung, vor einem
Gericht auftreten zu müssen, hatte für ihn etwas durchweg Demütigendes.
Man würde ihm Fragen stellen, die er nicht zu beantworten gedachte, und
letztlich würde Beweise vorgelegt werden, die sein öffentliches Ansehen
endgültig in den Schmutz ziehen würden. Was blieb dann von ihm übrig?
Möglicherweise war das, vor dem er am meisten Angst hatte, gar nicht einmal
ein Schicksal als Sträfling, sondern die Tatsache, dass er, einer der geistlichen
Führer des Multimperiums, derart in der Öffentlichkeit in Ungnade
fallen würde.
    Ja, dieser Gedanke erfüllte Decorian mit großem Entsetzen.
    Aber es war ja nicht so, als wäre er nicht auf alle Eventualitäten
vorbereitet gewesen. Decorian hatte es sich zu seiner Lebensaufgabe gemacht,
sein gesamtes Handeln und Planen ausgesprochen methodisch anzugehen. Er versuchte
immer, Wahrscheinlichkeiten zu kalkulieren und mögliche alternative Pläne
in der Hinterhand zu haben – selbst dann, wenn er deren Nutzen für
höchst unwahrscheinlich einschätzte. Es war dieses Gefühl, immer
auf alles vorbereitet zu sein, das eine starke Quelle seiner Selbstsicherheit
war. Dazu kam, dass er immer wieder mit der Dummheit seiner Widersacher hatte
rechnen können, und das galt auch dieses Mal. Wie so oft, hatte ihn diese
Erwartung nicht enttäuscht. Wie schade, dass es diesmal nur auf die kleinen
Dinge zutraf, während im großen Bild galaktischer Entwicklungen doch
andere die Oberhand gehabt hatten. Sehr bedauerlich.
    Decorian holte die extrem dünne, biegsame monomolekulare Klinge aus Outsiderfertigung
aus der Hülle, die in die Innenseite seines Oberschenkels einoperiert worden
war. Er musste nur einen unscheinbaren Hautlappen zur Seite schieben, um mit
spitzen Fingern die kaum sichtbare Waffe heraus gleiten zu lassen. Kein Scanner
und keine Untersuchung durch bloßes Abtasten hatte dieses Versteck entdecken
können, und das, obgleich die Allianz doch mittlerweile ganz gut über
das Waffenarsenal der Outsider Bescheid wusste.
    Ah ja, die Dummheit. Ein letztes Mal dieses Gefühl der Überlegenheit
auszukosten, dies ließ sich Decorian nicht nehmen. Und er lächelte
immer noch, mit fast jovialer Überlegenheit in seinen Zügen, als er
gekonnt, ja fast elegant, die unscheinbare Klinge quer über seine Kehle
führte. Für einige Momente sah er noch dem blitzartig herausschnellenden
Blut zu, dann umfing ihn bereits gnädige Bewusstlosigkeit.
    Als die Wachen die Zellentür öffneten, war Decorian bereits tot. Er
lächelte dabei, als habe er damit einen Sieg errungen.
    Vielleicht hatte er das sogar.

    »Ich werde also gehen.«
    Thorpa starrte das seltsame Wesen an, soweit man bei einem Pentakka von Starren
reden konnte. Warum Lear ausgerechnet seine Kabine betreten hatte, jetzt, nachdem
die Ikarus wieder in der Nähe von Vortex Outpost auf Warteposition
gegangen war, wollte er gar nicht erst fragen. Er hatte seit jenen Tagen, an
denen der Wächter der Ushu unvermittelt in ihrer Mitte aufgetaucht hatte,
immer sehr gehofft, einmal in Ruhe mit dem äonenalten Wesen reden zu können.
Lear war sicher eine der faszinierendsten Persönlichkeiten, mit

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