Rettungskreuzer Ikarus Band 043 - Kasernenwelt
bisweilen zu überfordern begann. Es war anders als
alles, was er in seinem bisherigen Dasein erlebt hatte. Nur Shmer schien die
Ruhe selbst zu bleiben. Und er, Lorik, musste sich ebenfalls um Fassung bemühen.
Man erwartete Anleitung und Zuversicht von ihm.
Er wusste nicht, was er Shmer noch sagen sollte. Dieser war bereits wieder ganz
und gar in seine Arbeit versunken. Lorik zog sich leise zurück.
»Ich weiß nicht, was genau den Effekt auslöst, aber ich habe
die physikalische Wirkungsweise dieser Bremse verstanden«, erklärte
Sonja. Sie hatte die Steuerung der Ikarus der KI überlassen und
sich zusammen mit Sentenza und Weenderveen ganz dem Studium der Defensivwaffe
verschrieben. Die Ikarus hatte derweil weiter deutlich an Geschwindigkeit
verloren und flog jetzt kaum schneller als die große Arche, die relativ
zu ihrer Masse eine deutlich schwächere Triebwerksbestückung hatte.
»Es ist eine passive Schutzmaßnahme, die auf der Basis einer im gesamten
System arbeitenden Hintergrundstrahlung arbeitet«, fuhr die Ingenieurin
fort, während ihr Sentenza zunickte. »Auf irgendeine Weise werden
nicht autorisierte Raumfahrzeuge identifiziert. Ein als unbekannt oder feindlich
eingestuftes Raumschiff wird mit einer Energiewelle beschossen.«
»Wir haben keinen Beschuss festgestellt«, wandte Weenderveen ein.
»Es klingt drastischer, als es ist«, meinte Sonja. »Dieser Beschuss
erfolgt durch eine extrem langwellige, im Hyperraum fluktuierende Energieart,
die in unseren Sensoren fast nicht nachweisbar ist und auch gar keinen physischen
Schaden anrichtet. Was sie tut, ist das Raumzeit-Kontinuum im Umfeld des eindringenden
Schiffes zu verändern. Auch das hat keine unmittelbaren Auswirkungen auf
die Schiffssicherheit oder die Integrität. Die Verzerrung ändert einige
naturgesetzliche Rahmenbedingungen, vor allem die Grundregeln, nach denen sich
Raumschiffe fortbewegen. Die Relation von zu bewegender Masse und ausströmender
Reaktionsmasse aus den Triebwerken und der dadurch produzierte Schub verändern
sich. Die Triebwerke funktionieren einwandfrei, aber die Naturgesetze, unter
denen sie arbeiten, haben sich verändert. Und dadurch wird diese Antriebsform
zunehmend weniger effektiv.«
»Das heißt, wir müssen den Ursprung jener Energiequelle identifizieren,
diese ausschalten und dann haben wir das Problem gelöst?«, hakte Weenderveen
nach.
»Das wäre das Beste. Leider ist diese Energiewelle omnidirektional,
zumindest wird sie auf unseren Sensoren so abgebildet. Wir können keinen
Ursprung entdecken.«
»Was bleibt uns dann?«
»Wir müssen die Ursache dafür finden, warum die Ikarus als Eindringling und Fremdkörper wahrgenommen wird und die Arche nicht.«
Dr. Cortez räusperte sich und alle Augenpaare richteten sich erwartungsvoll
auf die Ärztin. Sie mochte nur vorübergehend an Bord sein, um Anande
zu ersetzen, aber in den vergangenen Stunden hatte sie sich bereits den Respekt
Sentenzas erworben. Sie wirkte ruhig, kompetent und scheute sich nicht, ihre
Meinung zu sagen. Sentenza war froh, sie an Bord zu haben.
»Ich habe mir darüber Gedanken gemacht«, sagte die Frau. »Es
erscheint mir logisch, das Offensichtliche zuerst in Erwägung zu ziehen.
An Bord der Ikarus halten sich keine aktiven und sich weiter entwickelnden
Infizierten auf, während der Transporter voll von ihnen ist. Und da diese
Welt das Ziel des Transporters zu sein scheint, liegt es nahe, dieses Kriterium
als das unterscheidende Merkmal anzunehmen.«
Sentenza nickte. »Gut, gehen wir davon aus, dass das stimmt. Es klingt
zumindest logisch. Wie findet dann dieses seltsame Defensivsystem heraus, ob
sich an Bord Infizierte befinden oder nicht?«
»Eine gute Frage. Da wir keine Emissionen feststellen können, die
die Ikarus verlassen, vermute ich, dass es exakt das Fehlen einer wie
auch immer gearteten Strahlung ist, die unser Problem darstellt.«
»Die Infizierten strahlen?«
Cortez zuckte mit den Achseln. »Ich vermute, dass es eine sehr sublime
Emission ist, vermutlich ausgelöst durch die veränderte Physiologie.
Wir wissen mittlerweile, dass der Wandervirus den infizierten Körper umbaut
– ihn stärker und widerstandsfähiger macht. Warum sollte es nicht
auch Veränderungen auf anderer Ebene geben?«
»Aber dann müssten wir diese Emissionen doch auch anmessen können
– etwa von der Arche aus«, gab Weenderveen zu bedenken.
»Das
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