Rettungskreuzer Ikarus Band 043 - Kasernenwelt
könnten wir vermutlich, wenn wir genau wüssten, wonach wir
zu suchen haben«, erklärte Cortez. »Wenn es eine niedrigfrequente
Strahlung ist, die aus zellulärem Gewebe stammt, muss man aktiv danach
suchen und genau wissen, was man erwartet. Ich vermute, dass dafür entsprechende
Anlagen in diesem System installiert sind.«
»Hm.«
»Genau. Wir haben dafür keine Zeit, vor allem kommen wir wahrscheinlich
nicht einmal in die Nähe. Was wir müssen, ist, die Strahlung zu simulieren.«
»Wie geht das?«
»Nun, wir haben zwei ehemalige Infizierte an Bord.«
Cortez warf einen bezeichnenden Blick auf Sentenza, der langsam den Kopf schüttelte.
»Was haben Sie vor, Doktor? Wollen Sie uns ein Gegenmittel zum Gegenmittel
injizieren, damit wir wieder unruhig werden?«
»Nein, das wird nicht klappen. Ich habe ein solches Präparat nicht
einmal. Nein, ich werde den Virus in einen Gewebeklumpen aus der Organbank injizieren
und diesen zu besonders starkem Wachstum anregen.«
Cortez hielt für einen Moment inne. Sie kannte die Vorgeschichte Jovian
Anandes, wie mittlerweile alle im Raumcorps, die mit ihm zu tun hatten. Anande
wäre möglicherweise nicht in der Lage gewesen, diesen Vorschlag mit
der gleichen Selbstverständlichkeit zu machen wie sie, denn seine die Würde
intelligenter Lebewesen verachtenden Experimente vor seiner Läuterung lasteten
immer noch auf seinem Gewissen. Der Gewebeklumpen, den Cortez aber diesmal verwenden
würde, war etwas anderes, geschaffen aus dem Genmaterial Sentenzas, aber
ohne Form oder Funktion, ohne Bewusstsein, ohne Empfinden.
Sentenza unterbrach ihre Gedanken nicht. Er ahnte, woran Cortez unwillkürlich
denken musste. Sein Blick war ohne versteckten Vorwurf, sein Gesichtsausdruck
vermittelte Vertrauen und Gelassenheit. Die anderen Besatzungsmitglieder verhielten
sich ähnlich. Weenderveen nickte Cortez aufmunternd zu.
»Gut«, sagte die Ärztin schließlich, holte tief Luft, ihr
Körper straffte sich. »Es wird nicht lange dauern. Ich weiß
nicht, wie groß der ›Körper‹ sein muss, um die notwendige
Energie abzugeben, aber ich hoffe, dass eine Standardmasse reichen wird, die
in etwa einem ausgewachsenen Leib entspricht.«
Sentenza legte die Hände flach auf den Tisch. »Dann machen Sie sich
an die Arbeit. Sonja, kitzel alles aus den Maschinen heraus, ohne zu riskieren,
dass sie uns um die Ohren fliegen. Wir müssen um jeden Kilometer kämpfen,
bis Cortez' Plan funktioniert.«
»Falls er funktioniert«, ergänzte diese hastig.
Sentenza sah sie missbilligend an.
»Ein Scheitern kommt nicht in Frage, Doktor«, sagte er mit großer
Ernsthaftigkeit. »Wirklich nicht. Sowas machen wir auf der Ikarus nicht. Wir sind hier zum Erfolg verdammt. Immer.«
Weenderveen nickte nur.
3.
Er hatte ihn anketten müssen.
Botero sah Vince genauer an. Die frisch implantierten zusätzlichen Arme
schimmerten noch etwas feucht an den Wundstellen, die sie mit dem Körper
verbanden, und möglicherweise würden sie weiter zu nässen beginnen,
wenn sein ... Gefährte sich weiter so heftig bewegte und an den Klammern,
die ihn auf dem Operationstisch festhielten, riss. Der kleine Leib der künstlich
erzeugten Kreatur, die ohne Zweifel in ihrem kurzen Leben schon mehr als genug
'Fürsorge' von ihrem Herrn hatte erleiden müssen, zitterte in der
sinnlosen Anstrengung, sich gegen die Eisenbänder aufzulehnen.
»Keine Sorge, mein Freund«, murmelte Botero in einem fast schon zärtlichen
Tonfall. »Ich habe der Injektion einige Wirkungsbeschleuniger beigefügt.
Ich gebe zu, eine etwas krude und noch unerprobte Mischung, aber ich bin zuversichtlich,
dass du dafür Verständnis haben wirst.«
Vince machte nicht diesen Eindruck. Botero hatte ihm die Injektion verpasst,
ohne auch nur andeutungsweise zu erklären, was für eine Bewandtnis
es damit hatte. Aber sein Meister hatte sich nie lange mit Erklärungen
oder Nachfragen aufgehalten. Auch als er ihm das zusätzliche Armpaar verpasst
hatte, war es nicht anders gewesen. Es ging nicht darum, was Vince wollte. Vince
war nichts. Vince war niemand. Und alles Klagen und Jammern schien Botero eher
zu beflügeln, seine Kreatur unter weiteren Qualen zu verändern.
Doch Botero hatte natürlich nicht gelogen. Die Beschleuniger wirkten, wenngleich
krude. Ein heftiges Fieber schüttelte den Körper des Kunstwesens,
und neben einem großen Appetit verspürte es bereits jetzt
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