Rettungskreuzer Ikarus Band 046 - Welt der Schlafenden
Insgeheim fragte er sich, ob Jason Knight und Taisho mit Shilla ebensolche Probleme hatten, aber die Vizianerin schien weniger … kompliziert zu sein als ihr Cousin und Bruder im Geist.
Nach einigen Tagen hatte der Vizianer, dem seine selbstgewählte Isolation zusetzte, den Vorschlag gemacht, mit der Kosang vorauszufliegen und die Lage auf Tuman zu sondieren. Cornelius hatte über das Angebot, dass er seinen Freund begleiten könne, ernsthaft nachgedacht, denn es gab keinen Grund, nach Sally McLennanes Regeln zu spielen und ihr einen Gefallen nach dem anderen zu tun. Der eine – die Lieferung des Datenkristalls – hätte ihn fast Kopf und Kragen gekostet, und der Dank waren ein Erpressungsversuch und eine Entführung gewesen.
Natürlich hätten sie durch die kürzere Reisezeit viel früher in Erfahrung bringen können, ob die Tumanen noch existierten und man mit ihrer Hilfe rechnen durfte. Was dagegengesprochen hatte und der Grund für die Ablehnung der Idee war, war der Umstand, dass weder Cornelius, der als Botschafter entlassen worden war und keine wichtige Position mehr innehatte, noch Pakcheon, dem man als Angehörigen einer fremden, überlegenen Spezies mit Vorbehalten gegenübertrat, dasselbe Vertrauen entgegengebracht wurde wie den Leuten, die auf der Lohnliste Sally McLennanes standen.
Falls sie Tuman unbewohnt und nur die Relikte einer untergegangenen Kultur vorfinden sollten, war es sicherer, glaubwürdige Zeugen zu haben, damit nicht das Gerücht aufkam, Cornelius habe Rache für seine Entlassung geübt und Pakcheon die Chance genutzt, die Bevölkerung der Galaxis weiter zu dezimieren, um die Hegemonie der Vizianer zu besiegeln. Natürlich war das Unsinn, doch in Krisenzeiten schürte die Panik übelstes Gerede, und viele waren nur zu bereit, den irrsinnigsten Vorwürfen ein Ohr zu schenken und dem Erstbesten die Schuld zu geben, weil kein Wunder geschah.
Pakcheon hatte schließlich zugestimmt und voller Sarkasmus Cornelius’ eigene Worte zitiert: »Und wie immer geht das politische Kalkül zu Lasten der Allgemeinheit.«
Wobei er sich auf seine ganz eigene Weise zur Allgemeinheit zählte; das war Cornelius klar. Die Beengtheit machte seinem Freund zu schaffen, und die Avancen der Ärztinnen ärgerten ihn. Doch auf Pakcheons persönliche Empfindungen durften sie keine Rücksicht nehmen.
»Was nutzt uns die eingesparte Zeit, wenn wir eine Tragödie vorfinden, aber niemand unseren Worten Glauben schenkt? Womöglich würde man sogar an dem Zeugen zweifeln, wären Sie gewillt, jemanden von der Crew mitzunehmen. Immerhin könnten Sie als Telepath ihn manipuliert haben.«
»Wie kommen Sie denn darauf?«, fragte Pakcheon unerwartet scharf.
»Oder man würde mich verdächtigen, nach … all den Vorkommnissen«, fuhr Cornelius, der sich immer mehr in Rage redete, unbeirrt fort. Pakcheons schlechte Laune war ansteckend. »Das liegt doch auf der Hand. Was dann passieren könnte, würde von dem eigentlichen Problem ablenken und nur noch mehr Zeit kosten. Es ist verrückt und eine traurige Tatsache zugleich. Man darf gar nicht darüber nachdenken, wie viel Leben man in der Vergangenheit – und auch in der Zukunft – hätte retten und Leid lindern können, wäre ein schnelles Handeln möglich … möglich gewesen. Stattdessen muss man sich ständig absichern und umständliche Regeln beachten, während die Zeit davonläuft. Ich habe die ganze Bürokratie und die kleinkarierte Selbstsucht von Leuten wie McLennane so satt …«
»Und obwohl Sie nun ein Privatmann sind, sind Sie weiterhin ein Gefangener dieser unsinnigen Regeln«, stellte Pakcheon fest, nun wieder mit ruhiger Stimme. Ihm war nicht entgangen, dass Cornelius die für ihn typische Höflichkeitsfloskel ausgelassen hatte. Besänftigend strich er über den Oberarm seines Freundes.
»Irgendwie hatte ich etwas anderes erhofft.« Cornelius’ Ärger war Frustration gewichen.
»Vielleicht war es ein Fehler, dass Sie zurück nach Vortex Outpost gekommen sind. Auf einer Welt, auf der man Sie nicht kennt, hätten Sie neu anfangen können, ohne immer wieder behelligt zu werden.«
»Wenn jemand etwas von mir wollte, hätte er mich auch auf dem entlegensten Planeten ausgespürt.« Cornelius zuckte mit den Schultern. »Darum ist ein Ort so gut wie jeder andere. Aber solange Sie auf der Station weilen, ist sie mir noch von allen Plätzen der Galaxis der liebste.« Als ihm bewusst wurde, was er gerade gesagt hatte, errötete er. »Ich meine –«
Pakcheons
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