Rettungskreuzer Ikarus Band 046 - Welt der Schlafenden
mangelte.
Cornelius wischte sich den Schweiß von der Stirn, korrigierte den schiefen Sitz seiner Brille und verwünschte den Bart, der unnötig wärmte in der ohnehin schon für sein Empfinden übermäßig temperierten Halle.
Er fühlte sich furchtbar. Gewiss erging es den anderen genauso, insbesondere Pakcheon, der entschieden hatte, die Tumanen zu wecken und somit wenigstens einige zu retten. Hellerman mochte dies zwar im Vorfeld abgesegnet haben, aber Pakcheon hatte die entsprechenden Schalter betätigt.
Da er nichts tun und auch nicht schlafen konnte, bedeutete Cornelius Reela Coy, Pause zu machen, während er zusammen mit Wenga die Wache übernahm. Die Ärztin lächelte ihm dankbar zu und streckte sich auf dem Boden aus, den Kopf auf ihrem Rucksack.
Cornelius verspürte ebenso wenig wie Wenga Lust, sich zu unterhalten, und weil sie unterschiedliche Schleusen kontrollierten, enthob sie dieser Umstand einer bemühten Konversation.
Einige Stunden später löste Pakcheon den Drupi ab.
Das Wacheschieben erschien Cornelius nun nicht mehr gar so eintönig. Sie setzten sich auf den Boden, Rücken an Rücken, was relativ bequem war. Der Körper des Vizianers war warm und passte genau zu seinem.
»Können Sie schon Gedanken von den Schläfern empfangen?«, erkundigte sich Cornelius.
»Erste Bildfetzen. Sie träumen.«
»Etwas, das für uns nützlich ist?«
»Noch nicht.«
»Wie viele werden es wohl schaffen?«
Pakcheon zuckte mit den Schultern. »Mit etwas Glück tausendzweihundert, aber ich rechne mit weniger als tausend. Und in den anderen Städten, wenn dort die Situation dieselbe ist, dürften die Zahlen ähnlich sein. Leider haben die Tumanen keine Alternative.«
»Das dürfte ein schwerer Schlag für die Überlebenden sein. Wahrscheinlich hat jeder Angehörige verloren. Vielleicht wurden sogar ganze Familien ausgelöscht.«
»Ja.«
»Können wir das erklären? Werden die Tumanen das verstehen?«
»Ich weiß es nicht.«
Leicht berührte Cornelius Pakcheons Hand und sagte mit Nachdruck: »Es war die einzige Möglichkeit, das Volk der Tumanen zu retten. Wenn wir nichts unternommen hätten, wären sie alle gestorben. Das ist natürlich keine Entschuldigung und macht das Unglück nicht geringer, aber kann man uns vorwerfen, dass wir denen, die noch am Leben sind, eine Chance geben wollten?«
»Und mit ihnen eventuell der Galaxis.« Pakcheon rührte sich nicht.
»Wir täten es auch ohne diesen Hintergedanken.«
»Sicher, wenn es gerade in den Kram der Verantwortlichen passt.«
»Seien Sie nicht ungerecht.«
»Bin ich das? Stichwort: Sally McLennane. Sie hätte Sentenza schon sehr viel früher hierher schicken können, wenngleich ich bezweifle, dass er etwas anderes vorgefunden hätte. Vielleicht würden dann zehn, zwanzig oder fünfzig Stasiskammern mehr arbeiten. Und auf jeden Fall hätte man ein Heer an Fachkräften und reichlich Equipment mitbringen können, wodurch sich die Überlebenschancen der Tumanen erhöht hätten.«
Cornelius seufzte unglücklich. »Sie haben getan, was Sie konnten. Ohne Ihre Hilfe wäre uns vielleicht nicht einmal das möglich gewesen … hätten wir Tuman wahrscheinlich nicht einmal erreicht. Ich bin froh, dass Sie hier sind. Ich bin auch froh, dass Sie meinetwegen gekommen sind. Danke!«
Diesmal drückte Pakcheon Cornelius’ Hand leicht. »Ich danke Ihnen .«
Cornelius fehlten für einen Moment die Worte. Überdies stieg ihm Pakcheons Duft in die Nase. Verwirrend. Aufregend. Wünsche weckend. Nicht jetzt! »Und dann ist da noch unser anderes Problem: Decker.«
»Weichen Sie nicht vom Thema ab.«
»Das tue ich nicht«, log Cornelius.
Pakcheon lachte, wurde aber sofort wieder ernst. »Doch. Hätten Sie beispielsweise die Stelle der Direktorin des Raumkorps inne oder wären der Primus der Konföderation Anitalle, gäbe es einen Verhandlungspartner, der zu seinem Wort stünde. Ich bin vor allem Ihretwegen nicht nach Vizia zurückgekehrt.«
»Sie sollten vorsichtig sein mit dem, was Sie sagen. Solche Worte liefern denjenigen, die Ihnen und Ihrem Volk misstrauen, nur einen weiteren Grund, nach Mitteln und Wegen zu suchen, um Sie in Ihre Schranken zu verweisen.« Cornelius stockte kurz. Pakcheons letzte Worte waren so persönlich gewesen wie einen Moment zuvor die seinen, und zweifellos erwartete der Freund eine Reaktion. »Sind Sie enttäuscht, dass ich keinen Einfluss mehr habe?«
»Das fragten Sie schon einmal: Nein, bin ich nicht. Falls Sie wieder politisch aktiv
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