Rettungskreuzer Ikarus Band 048 - Kaiser und Gott
Freien auf Ryndon beobachteten das Geschehen, waren sich aber auch nicht sicher, wie sie damit umzugehen hatten. Anders als bei der über Generationen entwickelten Hingabe an die Kallia beziehungsweise der Lockerung dieser Verbundenheit war bei den Klonen von einer stärkeren Konditionierung auszugehen. Die Erfahrungen der Vergangenheit hatten dies schmerzlich gezeigt. So würden sich die Freien vorerst zurückhalten und versuchen, noch weniger als sonst aufzufallen.
Am meisten Irritation verursachten die Frauen bei den Standhaften und Treuen der Kallia. Zwar hatten diese mit dem Erstehen der Truppen gerechnet, aber nicht mit einer derartig riesigen Armee!
Die beginnenden Scharmützel, die von den Klon-Frauen eingeleitet wurden, waren noch als harmlos einzustufen. Viele der Rekruten und Kalliahörigen sahen in dem Ganzen eine Art Übung. Noch fehlten die koordinierten Weisungen, und so konnten die Sudeka-Klone sich ohne größere Verluste bewaffnen und auf das Kommende vorbereiten.
Und es sollte kommen …
Noël Botero schlug wütend auf die Konsole.
»Wie konnte das passieren? Wieso habe ich diese wichtigen Informationen nicht früher bekommen?«
Der Wissenschaftler griff nach dem Hartplastbecher mit Trinkhalm und warf das Geschirr mitsamt Inhalt auf den hinter ihm stehenden Vince.
Dieser duckte sich winselnd und zog sich noch weiter zurück. Daten der Art, wie sein Meister forderte, konnte er liefern. Sie waren offensichtlich vom Rechnersystem auf dem Planeten vor Botero verheimlicht worden: Es hatte bereits Raumcorpsvertreter auf dieser Welt gegeben. Das lag zwar wohl schon ewig zurück, aber offenbar wurden damals Daten ausgetauscht, die sich jetzt, mit dem Eintreffen der Ikarus, auf alles in einem Maße auswirkten, wie niemand es hätte erahnen können. Nicht einmal der Meister.
»Dieser verdammte Rettungskreuzer!«, wiederholte Botero.
Einen weiteren Moment gab er sich seiner Wut hin, bevor er sich konzentrierte und wieder dem Offensichtlichen zuwandte.
Obendrein waren Wutausbrüche gefährlich. Beschädigte er dabei den Schutzfilm, wurden die tödlichen Keime freigesetzt, die sein Körper produzierte – der unschöne Nebeneffekt des Unsterblichkeitsserums –, und das bedeutete, dass er seinen Sklaven und womöglich die biologischen Komponenten seines Schiffes verlor.
Sein Reich würde warten müssen. Zuerst hatte er sich nun doch um seine neue Zentralwelt und den vermaledeiten Captain Sentenza zu kümmern.
Die Werte von Boteros möglichem Einfluss waren noch nicht ausreichend genug, um die Rekruten in seinem Namen zu aktivieren, doch die Vorgänge auf der Welt sicherten ihm die Unterstützung der Zentraleinheit zu. Immerhin waren die Gefangenen befreit worden, und die Biofabriken lieferten nicht das Material, das gefordert war. Irgendetwas störte, und die Zentraleinheit erinnerte sich an die Biofabrik, die von einer Welt namens Fagor IV eingetroffen war und etwas assimiliert hatte, bevor sie selbst in den Verbund aufgenommen worden war. Etwas, das mit dem Raumcorps zu tun gehabt hatte …
Botero bemühte sich mit all seinen Mitteln, die Kasernenwelt – seine Welt – wachzurütteln. Er spürte zum ersten Mal direkt, wie schwer es war, die seit Generationen wartenden Rekruten zu aktivieren. Seine Möglichkeiten zur Beeinflussung der Massen mochten im Raumkampf oder in großen Schlachten von Vorteil sein; auf einer Welt einzelne Individuen zu jagen, war hingegen wesentlich diffiziler. Die bestehenden Hierarchien genügten gerade, um das tägliche Leben aufrechtzuerhalten, aber recht viel mehr war nicht machbar. Echte Befehlsketten gab es schon längst nicht mehr, und die regelmäßig notwendigen Aufgaben wurden von einfachen, meist nicht einmal mit dem Zentralrechner verbundenen Rechenzellen verteilt. Standardprogrammierungen.
Diese brach Botero mit den Programmen, die die Rechner seines Hairaumers zur Verfügung stellten, und mithilfe des Zentralrechners auf. Erst vor Kurzem war die Vernetzung auf dem Planeten selbst wiederhergestellt worden und bot somit auch Botero die Möglichkeit, auf die ihm seiner Meinung nach sowieso zustehenden Ressourcen zuzugreifen.
Endlich hatte Botero die Ikarus geortet. Eine kleine Insel, als ›Schrottplatz‹ gekennzeichnet, mit nur einem Minimum an Ressourcen, hatte den einzigen Landeplatz für den Rettungskreuzer geboten.
Die dort lebenden Rekruten waren offenbar eine
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