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Rettungslos

Titel: Rettungslos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: van der Vlugt Simone
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Anouk Lisa an, der das Blut
stockt, weil sie nur zu gut weiß, worauf die Fragen hinauslaufen.
    Â»Wird’s bald?«, drängt Kreuger. »Du weißt doch wohl, wo dein Vater ist, oder? Bei der Arbeit?«
    Anouk nickt, ohne ihre Mutter aus den Augen zu lassen.
    Â»Und um wie viel Uhr kommt er normalerweise nach Hause?«
    Schweigen.
    Â»Ich hab dich was gefragt!«, schreit Kreuger. Anouk zuckt zusammen und beginnt zu weinen.
    Â»Er ist weg«, sagt Lisa rasch. »Er wohnt woanders, wir sind getrennt.«
    Es hat keinen Sinn, um den heißen Brei herumzureden, denn früher oder später bekommt Kreuger es ja doch heraus. Im Haus gibt es nirgendwo Männerkleidung, im Badezimmer steht kein Rasierzeug. Bis auf die Fotos und die Narben auf ihrer Seele hat Menno keine Spuren hinterlassen.
    Kreuger baut sich vor ihr auf. Sie traut sich nicht, ihn anzusehen.
    Â»Gerade hast du gesagt, dein Mann kommt um halb sechs«, sagt er mit seltsam rauer Stimme.
    Â»Es … es tut mir leid. Ich dachte, dann würdest du vorher gehen. Ich …«
    Eine schnelle Bewegung, und sie hat seine Faust im Gesicht. Gleichzeitig mit Anouk schreit Lisa auf und fasst sich erschrocken ins Gesicht: Blut strömt aus ihrer Nase. Rasch greift sie nach einem Sofakissen und presst es ans Gesicht, um die Blutung zu stillen.
    Â»Schau mich an.« Kreugers Stimme ist eiskalt.

    Langsam hebt Lisa den Blick, die Augen voller Tränen, weil es unglaublich weh tut.
    Â»Lüg mich nie wieder an, verstanden? Verlogene Weiber sind mir zuwider.« Kreugers Augen funkeln drohend. »Wenn du tust, was ich dir sage, passiert euch beiden nichts. Ansonsten …«
    Â»Schon gut«, sagt Lisa mit erstickter Stimme. »Ich mache alles, was du willst. Wirklich, versprochen!«
    Sie meint es ernst. Egal, wie lange er bleibt, sie wird schon durchhalten. Ihr bleibt keine andere Wahl, sie muss das Beste aus der Situation machen: sein Vertrauen gewinnen.
    Ob er wirklich nicht vorhat, ihnen etwas anzutun? Schließlich weiß sie nun, wie er aussieht, und kennt seinen Namen. Vielleicht bringt er sie und Anouk doch noch irgendwann um?
    Nein, sagt sie sich, er hat mir versichert, uns nichts anzutun, und darauf muss ich mich verlassen, sonst drehe ich durch.
    Sie muss um jeden Preis verhindern, dass sie die Fassung verliert. Wegen Anouk, aber auch in ihrem eigenen Interesse.
    Langsam streckt Lisa Arme und Beine, um die verspannten Muskeln zu lockern. Gleichzeitig konzentriert sie sich auf ihre Aufgabe: Sie muss sich mit einem gestörten Kriminellen arrangieren, der ihr ein Messer in die Hand gerammt und ihr zweimal die Nase blutig geschlagen hat. Weiß der Himmel, wozu er noch imstande ist, aber darauf will sie es nicht ankommen lassen. Sie darf nicht daran denken.
    Lisa hat gelernt, die Angst zu verdrängen und sich
zuversichtlich und selbstsicher zu geben. Irgendwo in ihrem Inneren ist eine Art Schalter, der sich mit eiserner Disziplin umlegen lässt, sodass das Zittern und Stottern aufhört und ihr Körper ihr wieder gehorcht.
    Sie hört Anouks rasselnden Atem, der immer wieder von Schluchzern unterbrochen wird. Entschlossen legt Lisa das blutige Kissen beiseite und will ihre Tochter an sich ziehen, doch Anouk sträubt sich.
    Â»Mama, dein Gesicht ist voller Blut!«, bringt sie mühsam hervor.
    Â»Ganz ruhig, mein Mädchen, nicht weinen. Es sieht schlimmer aus als es ist«, beschwichtigt Lisa sie. »Weißt du noch, wie du vom Rad gefallen bist und dir die Stirn aufgeschlagen hast? Das hat auch so schlimm geblutet, obwohl es nur eine kleine Wunde war.«
    Â»Hast du immer noch Nasenbluten?«, fragt Kreuger sachlich.
    Lisa betastet ihre Nasenlöcher, betrachtet die Finger und schüttelt den Kopf.
    Â»Dann geh in die Küche und wasch dir das Gesicht.«
    Langsam steht sie auf. »Anouk, ich wasche mich schnell. Gleich bin ich zurück, und du wirst sehen, dass es gar nicht so schlimm ist.«
    Stocksteif sitzt das Mädchen da und folgt der Mutter mit den Augen, als diese in die Küche geht.
    Seltsam, auf einmal weiß Lisa nicht mehr, wo die Geschirrtücher liegen. Verdattert bleibt sie mitten in der Küche stehen. Langsam erinnert sie sich: in der obersten Schublade, über dem Besteck. Sie nimmt ein Tuch heraus und hält es unter das kalte Wasser. Dann
wischt sie vorsichtig das Blut ab und wirft dabei durch die Glastür einen verstohlenen Blick in den Garten hinterm Haus

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