Rettungslos
ausgesprochen nett.«
Macht er sich über sie lustig? Unsicher zupft Lisa an ihrer Serviette. Sie sollte jetzt lieber nichts mehr sagen. Sie hat einen Vorschlag gemacht, und jedes weitere
Wort wäre zu viel. Wenn sie nur wüsste, was in ihm vorgeht â¦
Kreuger hat die Ellbogen aufgestützt und sieht nachdenklich aus dem Fenster. Lisa steht auf.
»Mama, darf ich am Computer spielen?«, fragt Anouk.
Lisa sieht Kreuger an, und er nickt.
Vergnügt springt Anouk auf, und Lisa schaltet den Computer an. Nach einem Piepsen fährt er summend hoch und wählt sich automatisch ins Internet ein. Lisas Nerven sind zum ZerreiÃen gespannt, dennoch versucht sie, Ruhe zu bewahren. Sie stellt Teller, Tassen und Besteck auf das Tablett und trägt alles in die Küche. Dann öffnet sie die Spülmaschine, räumt das Geschirr von gestern in die Schränke und lauscht dabei angestrengt auf die Geräusche aus dem Wohnzimmer. Sie selbst kann sich unmöglich an den PC setzen und eine Mail schreiben, aber Anouk weiÃ, wie man Outlook öffnet. Sie kann auch Mails verschicken, manchmal schreibt sie ihrem Vater ein paar Zeilen. Dass sie nicht eher an diese Möglichkeit gedacht hat!
Ihre Gedanken überschlagen sich. Kann sie es riskieren, Anouk heimlich einen solch gefährlichen Auftrag zu geben? Will Kreuger sie damit vielleicht testen?
Schlagartig wird sie ruhig. Klar, es ist ein Test! Als Vater weià Kreuger mit Sicherheit, dass Kinder heute schon sehr früh mit Computern umgehen können. Vielleicht glaubt er, sie selbst würde die Gelegenheit nutzen, eine Mail zu schreiben. Wenn er nachher aus dem Zimmer geht, wird er sie bestimmt heimlich beobachten.
Sie richtet sich auf und schlieÃt den Geschirrspüler. Mit Kehrblech und Handfeger fegt sie Krümel vom Küchenboden auf und wirft sie in den Abfalleimer.
Als sie ins Wohnzimmer tritt, ist Kreuger nicht da. Lisa spitzt die Ohren und hört Geräusche aus der Toilette. Er bleibt so lange weg, dass er sie mit Sicherheit auf die Probe stellen will.
Gelassen geht sie zum Wandschrank im Flur, holt den Staubsauger heraus und macht sie an die Arbeit. Jetzt, wo er hoffentlich bald verschwindet, will sie kein Risiko eingehen.
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Im Lauf der nächsten Stunden ergibt sich immer wieder die Möglichkeit, um Hilfe zu rufen. Der Computer bleibt an, und Kreuger geht mehrmals für längere Zeit aus dem Wohnzimmer. Als Lisa im oberen Stock Schmutzwäsche holen will, sieht sie ihr Handy auf dem Bett liegen.
Wie angewurzelt bleibt sie stehen. Sie ist hin- und hergerissen: Soll sie das Telefon nehmen und rasch den Notruf wählen? Lange Erklärungen wären nicht nötig, ein paar Sekunden würden reichen. Aber was, wenn auch das ein Test ist? Vielleicht hat er das Handy so platziert, dass er sofort merkt, ob sie es benutzt hat. Womöglich hat er es mit einem Haar präpariert ⦠Oder sieht sie etwa Gespenster?
Das Handy auf dem geblümten Bettbezug zieht sie unwiderstehlich an. Lisa bricht der Schweià aus. Wie gelähmt steht sie da, das Blut rauscht in ihren Ohren, und ihre Hände zittern.
Nervös späht sie über die Schulter. Wo steckt Kreuger?
Vorhin war er unten, aber nun steht er bestimmt schon auf der Treppe, vielleicht hat er ja die SIM-Karte aus dem Gerät genommen â¦
Lisa lässt es sein. Das Handy liegt so auffällig da, dass es einfach kein Zufall sein kann. Bestimmt hat er sie absichtlich allein nach oben gehen lassen. Immerhin kann sie die Chance nutzen, einen Zettel für den Postboten zu schreiben.
Hektisch sucht sie in Anouks Zimmer nach einem Bogen Zeichenpapier und kritzelt mit rotem Filzstift ein paar Sätze mit vielen Ausrufezeichen darauf:
Hilfe! Der gesuchte Häftling Mick Kreu-
ger ist in meinem Haus! Er hält mich und
meine Tochter fest! Das ist kein Scherz!
Bitte übergeben Sie diesen Brief sofort der
Polizei!
Lisa Fresen
Sie faltet das Blatt mehrfach und steckt es in die Hosentasche. Dann holt sie den Waschkorb aus dem Badezimmer und geht mit weichen Knien die Treppe hinab. Ihre Wangen brennen, als sie ins Wohnzimmer kommt.
Kreuger sitzt vor dem Fernseher, zappt und wirft ihr nur einen kurzen Blick zu. Lisa geht in die Waschküche und fängt an, die Wäsche zu sortieren. Sie lässt sich Zeit damit und wird allmählich ruhiger.
Es war gut, kein Risiko einzugehen, sagt sie sich, ich habe nur vernünftig gehandelt.
Aber ihr
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