Revanche - Exposure
gewohnt munter drauflosplapperte, wurde zunehmend verstockter, da ihre Gesprächsversuche allesamt ins Leere liefen. Jetzt klebten ihre dunklen Augen ratlos an dem Gesicht ihrer Mutter, und sie steckte sich den Daumen in den Mund. Emma lächelte ihr aufmunternd zu, worauf Gracie daumenlutschend strahlte.
Zum Glück, sinnierte Emma, ließ sich das Kind mit diesen kleinen Gesten bei Laune halten. Und wünschte sich spontan, sie hätte sich das Lächeln verkniffen, denn Gracie hob zeitlupenartig den Kopf von der Brust ihres
Großvaters und machte einen langen Hals, um ihn anzusehen. Der Daumen glitt leise schmatzend aus ihrem Mund.
»Großpapa, ich bekomme einen neuen Daddy«, erzählte sie ihm stolz. Das würde den Opa bestimmt genauso freuen wie sie. Hoffentlich wäre er dann wieder so nett wie früher und nicht mehr dieser furchteinflößende Fremde, der nur so aussah wie ihr Großvater. »Er heißt Elbis Don’lee und er ist riesengroß. Er hat mir ein Dreirad geschenkt, Opa, und Straßenkreide und …«
»Halt den Mund«, schnaubte Grant und schüttelte sie heftig.
Gracies Augen weiteten sich vor Panik, und Emmas mühsam kontrollierte Haltung verlor sich schlagartig. »Du Schwein!«, kreischte sie aufgebracht. Sie riss das Lenkrad herum, worauf der Wagen im Zickzackkurs über die Landstraße schlitterte. Zwischen Randstreifen und Böschung brachte Emma ihn mit einer Vollbremsung zum Stehen. In ihrer blinden Hysterie stürzte sie sich auf ihn, bis der Sicherheitsgurt sie stoppte und ihre Hände wild vor seinem Gesicht herumfuchtelten. »Gib sie mir - gib sie sofort her !«, fauchte sie giftig. »Du bist doch total krank im Hirn. Wenn du sie auch nur anrührst, bringe ich dich um!«
Der Geräuschpegel in der Großraumlimousine schwoll zu einer chaotischen, ohrenbetäubenden Kakophonie an. Grant brüllte vor Wut, Gracie schrie vor Entsetzen, Emma gellte französische und englische Schimpfwörter, während sie ihren Peiniger mit Händen und Füßen zu traktieren suchte.
Darauf schlug er ihr so heftig ins Gesicht, dass sie taumelnd in den Sitz zurückschnellte. Während sie wie benommen
dasaß, umschloss er mit beiden Händen Gracies Wangen und überstreckte den kleinen Kopf gefährlich weit nach hinten. »Hör auf damit oder ich brech ihr das Genick.«
Emma erstarrte. O Dieu, Dieu! Eine winzige Drehung, und ihr Baby wäre -
»Mommy, Mommy, Mommy, Mommy«, schluchzte Gracie.
»Sie soll endlich die Klappe halten!«
»Schscht, Herzchen, es ist alles okay«, murmelte Emma mit bemüht beschwichtigender Stimme und streichelte ihrer Tochter über die Wange. »Schscht, Bébé. Du musst jetzt schön brav sein, Liebes. Für Maman . Ja? Okay, Liebes? Und leise wie ein Mäuschen.«
»Warum nicht gleich so«, meinte Grant mit einem knappen, zufriedenen Nicken. Er ließ Gracies Kopf los, deren Schluchzen in einen leisen Schluckauf mündete. Auf größtmögliche Distanz zu Grant bedacht, setzte sie sich kerzengerade in ihrem Sicherheitsgurt auf, die kleinen Hände fest an den Körper gepresst. Mit angstvoll geweiteten Augen spähte sie zu ihm auf, während sie angestrengt versuchte, nicht zu weinen. Er nahm sie nicht einmal mehr wahr. »Fahr«, kommandierte er Emma. »Ich sag dir, wann du abbiegen sollst.«
Sie atmete tief durch. Blickte automatisch über ihre Schulter, ob vielleicht ein anderes Auto käme, bevor sie den Wagen zurück auf die Straße steuerte. In diesem Augenblick fuhr Clares Wagen vorbei. Emma setzte geistesgegenwärtig den Blinker, nahm den Fuß vom Gas und scherte hinter ihr ein.
Clare verlangsamte ebenfalls.
»Los, überhol sie«, knurrte Grant, als sie einen kurzen
Moment lang hinter Clare herkroch. »Verdammte Provinzschnepfe.«
Emma überholte, froh, dass Gracie nicht die Straße, sondern ihren Großvater - pardon: Grant Woodard - anstarrte. Dieser Mann war nicht Gracies Großvater, die Ehre dieses Titels durfte er sich ein für alle Mal abschminken. Aber das war jetzt nebensächlich. Viel wichtiger war, dass Gracie nicht mitbekam, dass sie Clares Wagen passierten. Wenn die Kleine das fröhlich herausposaunt hätte, hätte sich die Lage nur zugespitzt.
Grant, der angestrengt aus dem Fenster spähte, dirigierte sie nach etwa drei Meilen in eine andere Richtung. Kurz darauf ließ er sie anhalten, zurücksetzen und in eine dämmrige, zugewachsene Auffahrt biegen, kaum breiter als ein Waldweg. Hohe Büsche streiften den Lack der Limousine, als Emma im Schneckentempo über den gewundenen Pfad
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