Revanche - Exposure
Box war leer.
Er warf sie zu Boden, ging hektisch die gesamte Sammlung durch, bis er sich einen Überblick verschafft hatte. Sechs Kassetten fehlten.
»Dieses Miststück !«
Es klopfte. Grant fuhr sich mit den Fingern durch die silberweißen Haare und betrachtete schulterzuckend die ringsum verteilten Videohüllen auf dem Teppich. Um dieses Chaos sollte sich gefälligst sein unfähiges Personal kümmern. Er durchquerte den Raum und riss die Tür auf.
»Hi, Boss.« Hackett schlenderte ins Zimmer. »Rosa meinte, Sie wollen mich sprechen?«
»Setzen Sie sich.« Grant ging zu dem Wandtresor und positionierte sich so, dass der Mann nicht mitbekam, welche Kombination er eingab. Dem geöffneten Safe entnahm er ein Bündel Geldscheine. Fächerte sie mit dem Daumen durch wie ein Kartenspiel und knallte sie vor Hackett auf den Schreibtisch, bevor er erneut in seinen Sessel sank.
»Emma ist abgehauen und hat etwas mitgenommen, was mir gehört.« Sein stahlharter Blick bohrte sich eiskalt in die Augen seines Angestellten. »Das hier ist für Ihre Ausgaben.« Er deutete auf das Geld. »Ich will, dass Sie sie finden«, fuhr er mit Bestimmtheit fort. »Am besten schon gestern , Hackett.«
1
Emma schimpfte leise. Na, toll. Ausgerechnet jetzt musste die Karre verrückt spielen. Kaum zehn Minuten zuvor hatte sie die Washington-State-Fähre verlassen. War in der herrschenden Hektik heimlich auf einer Insel von Bord gefahren statt wie gebucht auf dem Festland. Sie wusste nicht einmal, ob es auf dieser Mini-Insel einen richtigen Ort gab, geschweige denn eine Werkstatt mit einem fähigen Automechaniker. Der Motor stotterte lauter, und Emma fürchtete schon, dass er sich in Kürze ganz verabschieden würde.
»Zu McDonald’s?«, fragte Gracie hoffnungsvoll auf dem Beifahrersitz. Der Mordslärm im Auto schien die Kleine überhaupt nicht zu stören.
»Ich glaube nicht, dass es hier ein McDonald’s gibt, Herzchen«, antwortete Emma. Lächelnd streckte sie die Hand aus und streichelte ihrer Tochter zärtlich über die Wange. »Aber wir finden bestimmt was Nettes, wo wir essen können.« Das hoffte sie zumindest inständig.
Immerhin fanden sie einen malerischen Ort namens Port Flannery, der sich zu beiden Seiten des Hafenbeckens erstreckte. Auch die dunkle, tief hängende Wolkendecke, die ein drohendes Gewitter ankündigte, nahm dem hübschen Idyll nichts von seinem Reiz. Es herrschte Ebbe, das Meer war weit zurückgewichen. An den Docks am Kai entdeckte Emma ein Bootshaus, nicht weit entfernt
davon eine Tankstelle, ein Lebensmittelgeschäft, mehrere Souvenirläden und eine Kneipe. Weiter oben einen größeren Platz, den das Rathaus und weitere Geschäfte umstanden, und gottlob auch eine Werkstatt. Emma parkte den Chevrolet direkt vor Bill’s Garage.
»Soso, Sie meinen, der Chevy zickt ein bisschen rum, hm?«, wurde sie kurz darauf von einem Mann gefragt, auf dessen ölverschmiertem Overall der Name Bill eingestickt war. Er wischte sich die Hände an einem schmutzigen Lappen ab und beugte sich über den Motor.
»Ein bisschen ist gut«, meinte Emma trocken. »Und er macht einen Mordslärm. Ich denke, es liegt an …«
»Ach was, zerbrechen Sie sich deswegen mal nicht Ihr hübsches Köpfchen«, unterbrach er sie in so herablassendem Ton, dass sich Emma sämtliche Nackenhaare sträubten. Sie öffnete die Lippen, um ihm gehörig über den Mund zu fahren, hatte aber nicht mit Gracie gerechnet, die ausgerechnet in diesem Augenblick unruhig auf ihrem Arm herumzuzappeln begann.
» Ich hab Hunger, Maman« , maulte die Kleine und trommelte mit ihren Füßen gegen Emmas Hüften.
Bill hob den Blick bis zu Emmas Brüsten. »Da hinten auf dem Platz ist ein Café«, meinte er hilfsbereit. »Da können Sie eine Kleinigkeit essen. In der Zwischenzeit mach ich mich schlau, was mit Ihrem Wagen los ist.«
Emma biss die Kiefer aufeinander. Am liebsten hätte sie Bill kräftig zusammengestaucht, aber Gracie blieb hartnäckig. Und ihr selbst knurrte offen gestanden ebenfalls der Magen, also gab sie seufzend nach. Sie stellte Gracie auf die Füße und fasste ihre Hand. Augenblicke später überquerten sie den parkähnlichen Platz und erklommen die Eingangsstufen zu einem größeren, schindelgedeckten
Gebäude. Ruby’s Café blinkte die rote Neonreklame über dem Frontfenster mit den hübschen blauweiß karierten Gardinen.
Als sie das Gasthaus wieder verließen, fühlte Emma sich erheblich besser. Schon komisch, überlegte sie, was eine warme
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