Revanche - Exposure
gemeint, doch Emma knurrte nur: »Etwas anderes hatte ich auch gar nicht erwartet.«
Sobald sie mit der schlafenden Gracie auf dem Arm vor ihrer Zimmertür stand, Elvis mit ihrem Handgepäck im Schlepptau, suchte sie krampfhaft nach dem Schlüssel.
Da fiel ihr siedendheiß ein, dass sie den zu der Notiz für Ruby gesteckt und den Umschlag zugeklebt hatte. Das wäre nicht weiter tragisch gewesen, aber sie hatte aus alter Gewohnheit die Tür fest hinter sich zugezogen. »Merde.«
Sie hätte schwören mögen, dass sie für Sekundenbruchteile die metallisch kalte Mündung einer Pistole im Nacken spürte. Aber das bildete sie sich bestimmt nur ein, weil ihre Nerven blank lagen. »Und?«, fragte Elvis höflich distanziert, wie es so seine Art war. »Was ist denn?«
Zerknirscht rückte sie mit der Wahrheit heraus. Er überlegte kurz, nahm ihre Reisetasche auf und fasste mit der gesunden Hand ihren Ellbogen. »Kommen Sie mit.« Er geleitete sie durch den Flur. Holte den Schlüssel aus seiner Levi’s und schloss eine der vielen Türen auf. Dann trat er beiseite und ließ ihr den Vortritt, folgte ihr und machte Licht.
»Sie und Gracie können das Bett nehmen«, bot er unverbindlich an. »Ich schlafe auf dem Boden.«
Sie war zu müde, um zu protestieren. » Merci« , seufzte sie und steckte die schlummernde Gracie kurzerhand ins Bett. Ihre Tochter rollte sich wie ein Kätzchen zusammen und zog die Knie an. Emma öffnete den Reißverschluss der Reisetasche, die Elvis auf einem Sessel abgestellt hatte, kramte ein weißseidenes Nachthemd, Zahnpasta und -bürste hervor. Skeptisch spähte sie zu Elvis, der sich höflich umgedreht hatte. Er stand am Fenster, die Unterarme auf den Sims gestützt, und spähte versunken in die Dunkelheit. Sie durchwühlte ihre Tasche nach einer alten Lederjacke, quasi als Morgenmantelersatz. »Bin gleich zurück«, murmelte sie. Elvis drehte sich nicht um.
Als sie zurückkehrte, stand ihre Tasche auf dem Boden und er saß in dem Sessel, die langen Beine ausgestreckt. Ein flüchtiger Blick zu ihr, und er löschte das Licht. So viel Feingefühl besaß er immerhin noch, überlegte Emma schläfrig. Hastig schüttelte sie die Jacke ab und kroch zu ihrer Tochter unter die Decke.
Sicher, er hatte sich ein provisorisches Bett auf dem Boden unter dem Fenster gemacht. Aber soweit sie erkennen konnte, rührte er sich nicht aus dem Sessel. Jedenfalls nicht in der kurzen Zeitspanne, in der sie ihre Augen noch aufzuhalten schaffte.
Das Bett wippte und vibrierte unter ihr. Kleine Finger zogen ihr das rechte Augenlid hoch. »Mommy, Mommy, bist du wach? Draußen scheint die Sonne und wir liegen in Sheriff Elbis’ Bett!«
»Gracie!«, ermahnte Elvis das Kind sanft. Das Bett gab weiter nach, da er sich mit dem Knie auf der Matratze abstützte und nach der Kleinen angelte. Emma klappte schläfrig ein Auge auf und schloss es wieder. »Lass deine Mommy noch ein bisschen schlafen«, sagte er streng.
»Gwacie muss aufs Töpfchen.«
»Ich bring dich ins Bad. Ich mach mir nur eben eine Tasse Kaffee und zieh mir ein Hemd über, ja?«
»Gwacie muss jetzt !«
»Okay, okay, dann komm.«
Nachdem die Tür hinter den beiden ins Schloss gefallen war, hörte Emma, wie sie sich leise unterhielten.
Sie öffnete die Lider und stützte sich auf einen Ellbogen. Gähnend blinzelte sie in das helle Licht, das von draußen einfiel. Na, endlich mal richtig schönes Wetter. Sie hatte sich schon gewundert.
Sie schwang sich aus dem Bett, streifte die Lederjacke über. Entdeckte die Kaffeemaschine auf dem Bücherregal, die sie magisch anzog wie der Honig die Fliegen. Auf dem Boden stand ein Kanister mit Leitungswasser, und in dem winzigen Kühlschrank fand sie ein halbes Pfund Starbucks-Kaffee. Emma maß Kaffeepulver ab und goss Wasser in die Maschine, drückte den Knopf. Augenblicke später zischte und blubberte es, der Duft frisch aufgebrühten Kaffees erfüllte den Raum.
Sie durchwühlte die Reisetasche nach frischen Anziehsachen, als die Tür aufging. Mist. Sie hatte so gehofft, ihr wären noch ein paar Minuten Ruhe vergönnt gewesen. Doch als Gracie fröhlich unbekümmert in den Raum tollte, musste sie lachen. Als sie Elvis hinter der Kleinen gewahrte, gefror ihr Lächeln. Ihr Mund war plötzlich staubtrocken. Er trug lediglich Boxershorts, die ihm locker auf den Hüften saßen. An einem Arm baumelten die Lederbänder für die Prothese.
Gracie lief zu ihrer Mutter. » Maman, du bist ja wach!«
Emma riss sie in ihre
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