Revanche - Exposure
»Danke.«
»Ich hab zu danken«, meinte sie. »Für …« Sie nickte zu Gracie, die aufs Fensterbrett geklettert war und sich die Nase an der Scheibe platt drückte. Von Elvis’ Zimmerfenster aus hatte man nämlich einen traumhaften Blick auf den Hafen.
»Das war wieder mal typisch Mann.« Kopfschüttelnd grinste er Emma an. Das sollte er ruhig öfter tun, seufzte sie insgeheim. »Mein Respekt für Mütter ist seit vorhin wahnsinnig gestiegen. Hätte nämlich nie gedacht, dass es so schwer ist, ein kleines Kind anzuziehen.«
Emma nickte. »Das kann man wohl sagen. Vor allem, wenn Sie sie nicht mithelfen lassen.«
»Wieso?«
»Sie stehen ziemlich auf der Leitung, Donnelly. Zumindest was meinen kleinen Engel angeht. Gracie kann sich nämlich schon ganz allein anziehen. Man muss sie dabei natürlich beaufsichtigen und ihr gelegentlich bei Knöpfen und Reißverschlüssen helfen. Die Kleine hat Sie ganz schön an der Nase herumgeführt.«
Er starrte sie fassungslos an, kippte gierig den Kaffee in sich hinein. »Mist«, meinte er schließlich.
»Kann man wohl sagen.« Ihre Mundwinkel verzogen sich zu einem amüsierten Lächeln. »Wenigstens wissen Sie für die Zukunft, wie’s geht.«
»Emma …« Er räusperte sich unbehaglich. »Es ist mir wahnsinnig peinlich, dass Gracie meinen - ähm - Pe…« O Gott, er fasste es nicht, dass er dabei puterrot wurde. »Meinen Penis gesehen hat.« Er verschluckte sich fast an dem Wort. »Ich hab mir echt nichts dabei gedacht. Ich hatte meine Morgenl… - äähm - ich musste mal dringend. Und nachdem die Kleine gestern vom Fleck weg verschwunden war, mochte ich sie nicht allein im Flur zurücklassen, verstehen Sie? Aber ich gebe zu, es war keine gute Idee von mir.«
Er wirkte so geknickt, dass Emma ihren Ärger vergaß. »Schon okay, Elvis«, sagte sie milde. »Ich hab sowieso nicht geglaubt, dass Sie …«
Als sie merkte, dass er ihr das nicht abkaufte, räumte sie ein: »Na ja, für einen kurzen Augenblick hab ich es vermutlich geglaubt, aber … aber nicht wirklich. Mon Dieu! « Sie fasste sich an den Kopf. »Ich rede völligen Blödsinn. Ich wollte damit nur sagen, dass es kein Verbrechen ist, in ihrem Beisein auf die Toilette zu gehen. Etliche Mädchen in Gracies Alter spazieren vermutlich im Badezimmer aus und ein, wenn ihre Väter drin sind. Nur - Gracies Vater starb noch vor ihrer Geburt. Kann sein, dass sie deshalb einen Mordswirbel um männliche Intimzonen macht. Ehrlich gesagt war mir gar nicht bewusst, dass sie dergleichen schon in Natura kennt. Wie jedes Kind interessiert sie sich natürlich brennend für so etwas. Von daher plappert sie auch dauernd von dem rossenden
Hengst, den wir mal bei einem Picknick gesehen haben.«
Elvis musterte sie gedankenvoll. »Gut, das erklärt Gracies Verhalten. Nett von Ihnen, dass Sie mir noch einmal verzeihen können.«
Emma lächelte stillvergnügt. Stimmt, sie war ziemlich nett zu ihm. Eigentlich unverständlich, nachdem er ihre Flucht vereitelt und ihr einen Haufen Scherereien gemacht hatte. Andererseits musste man auch das Positive sehen: Sie fühlte sich mit Gracie sicher aufgehoben in seinem Pensionszimmer. Auf die Idee, ausgerechnet im Zimmer des Sheriffs nach ihr zu suchen, kam bestimmt keiner. Und wenn, dann würde Elvis sie beschützen, wenigstens so lange, wie sie sich in seinen vier Wänden aufhielt.
Elvis war anders als die meisten Männer; er ging den Dingen auf den Grund. Hinterfragte und zog seine Schlüsse. Ein Glück für sie, sann Emma. Deshalb hatte er Gracie auch nicht im Gang stehen lassen, während er einem dringenden Bedürfnis nachgekommen war. Er hatte ganz rational gehandelt - eben wie ein Polizeibeamter.
Was, wie sie Sekunden später feststellen musste, nicht nur Vor-, sondern auch Nachteile hatte.
»Was ich nicht verstehe«, sagte er eben, sein Blick auf Emma geheftet, während er bedächtig die Hemdsärmel hochrollte, »ist, wieso Sie automatisch das Schlimmste annahmen. Sie dachten, ich hätte mich ihr unsittlich gezeigt, nicht?« Seine blauen Augen bohrten sich forschend in ihre. »Streiten Sie das jetzt nicht ab, Emma. Mich interessiert lediglich, wieso, Em? Ist ihr das schon mal passiert? Oder« - er wurde sichtlich blass - »hat etwa jemand versucht, sie … unsittlich zu berühren?« Nur das
nicht, bitte nicht. In dem Fall hätte er für nichts garantieren können. Wahrscheinlich würde er einen solchen Typen mit bloßen Händen erwürgen!
»N… nein!«, stammelte sie. »Natürlich
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