Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Revelations

Revelations

Titel: Revelations Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carsten Fischer
Vom Netzwerk:
Distanz vermochte die drei Insassen nur unzureichend vor der undurchsichtigen Staubwolke zu schützen. Glücklicherweise hatten Dogs Leute ihre Schutzbrillen beim Angriff auf Brackwood zurückgelassen und nun wiedergefunden, ohne die sie wohl längst im Straßengraben gelandet wären.
    Dog beanspruchte standesgemäß den Beifahrersitz. Am Steuer saß ein älterer Mann, hellhäutig und mit einer weithin sichtbaren Hakennase, namens Samuel. Er war einer der ersten Gangmitglieder gewesen und hatte Erics Gefängnisrevolte hautnah miterlebt. Sein Urteil lautete lebenslänglich für Mord und schweren Raub, nachdem ihm bei der Geiselnahme in einer Kleinstadtbank ein übermütiger Kunde seine Pistole abzunehmen versucht hatte. Als die Anarchiewelle über die Gefängnismauern schwappte, rettete er Dog vor dem Lynchmob der anderen Insassen und erhielt dafür später einen festen Platz an seiner Seite.
    Auf dem provisorischen Rücksitz hinter dem aufgeschweißten Maschinengewehr klammerte ein abgemagerter Vulture namens Kalidas an den schwarzen Metallrohren des Überrollbügels. Dog und ihn verband eine tiefe Freundschaft, seit ihre Väter als Gefängniswärter bei der Revolte ermordet worden waren. Nur wenige Jahre vor dem Kollaps hatte seine Familie Indien aufgrund religiöser Unruhen verlassen. Seine Mutter eröffnete damals ein indisches Gourmetrestaurant, das bis zum globalen Untergang hervorragend lief und ihn die Kunst des Kochens lehrte. Eine Fertigkeit, die er trotz der rauen Sitten unter den Vultures nie verlernt hatte und derentwegen er auch ohne überragende kämpferische Eigenschaften geschätzt wurde.
    Bis auf eine Pause zum Auftanken der Wagen an den mitgeführten Kanistern gönnte sich Angel den ganzen Tag über keine Rast. Obwohl sie Kims Fähigkeiten, den Rettungskonvoi zu beschützen, durchaus vertraute, wollte sie die Sicarii kein zweites Mal unterschätzen. Erst nach Einbruch der Dunkelheit stoppte sie den Humvee für die Nacht. Sie hatten Black Forrest im Norden entlang des Gebirges umfahren und sollten laut ihren Landkarten nur noch zweihundert Kilometer von dem Autobahnkreuz entfernt sein, über das der Flüchtlingszug zum rettenden Kloster fahren musste. Angel versteckte die Wagen zwischen einem Haufen verrotteter Elektroautowracks und verbot erneut jegliche Form von Lagerfeuern.
    Nachdem Cassidy sich am Vormittag mehr oder weniger ausgeschlafen hatte, meldete sie sich freiwillig für die Nachtwache und versprach ihrem Bruder, ein Auge auf Faith zu werfen.
    Während der ereignislosen Stunden gönnte sich Cassidy ein paar trockene Brotreste und entzündete eine Kerze, um wenigstens ihr Selbststudium von Angels Philosophie und Strategiebüchern fortführen zu können. Seit dem Überfall der Sicarii begann sie zu verstehen, dass gute Ausrüstung und Talent im Umgang mit Schusswaffen allein keinen Krieg gewinnen konnten. Angel hatte ihr besonders die Kapitel über Guerillataktiken ans Herz gelegt. Infiltration und Sabotage würden die Sicarii zwar nicht besiegen, aber hoffentlich so lange beschäftigen, bis sie genügend Kriegsgefangene befreit hatten, um einen echten Gegenschlag zu planen.
    Faith wälzte sich währenddessen ununterbrochen auf der Rückbank des Humvees herum, bis sie kurz nach Mitternacht schweißgebadet aufwachte und röchelnd um Wasser bat.
    »Was ist passiert?«, fragte sie heiser. »Wo sind wir?«
    »Im Niemandsland«, antwortete Cassidy flüsternd und legte dabei ihren Zeigefinger auf die Lippen. »Wie fühlst du dich?«
    Faith wollte ihr antworten, doch dann bekam Cassidy das Gefühl, als fiele ihr plötzlich ein verdammt guter Grund zum Schweigen ein, und ihr von der Sonne aufgeplatztes Gesicht erstarrte.
    »Ich hab ihm gesagt, er soll mich vergessen«, hauchte sie und ließ sich wieder auf die Rückbank fallen. »Warum habt ihr mich zurückgeholt?«
    Mit diesen Worten verlor sie erneut das Bewusstsein. Cassidy überlegte, ob sie ihren Bruder wecken und ihm davon erzählen sollte. Doch dann entschied sie, dass ein prophetisches Zitat seiner Freundin wohl kaum Grund genug sei, sie in sein Geheimnis einzuweihen.
    Zwei Stunden vor Sonnenaufgang beendete Cassidy gerade ein interessantes Kapitel über die psychologischen Folgen des Tötens für Soldaten, als sie in der Ferne ein Aufblitzen bemerkte. Sofort rüttelte sie Angel aus ihren Träumen, die nach ihrem Gewehr griff und gebannt in Richtung Osten starrte. Im schwachen Neumondlicht war eine einzelne, gewaltige Explosion zu erkennen,

Weitere Kostenlose Bücher