Revelations
seines Wohnzimmers sehen. Charles sah ihnen missmutig nach, als erwartete er, seinen Wagen nie wiederzusehen.
»Das war ein Sklave?«, fragte Cassidy ungläubig, als sie wieder auf die Fernverkehrsstraße abbogen.
»Wer? Sam? Ja klar«, antwortete Jiao und nickte wie selbstverständlich. »Die Hälfte der Arbeiter von Charles sind seine Sklaven.«
Angel und Dog schienen sich mit den neuen Sitzverhältnissen zu arrangieren, die wesentlich unbequemer als die des Luxusgeländewagens waren. Drei widerspenstige Federn ragten aus der Rückbank, die ihnen bei einem unachtsamen Ausstieg mit Sicherheit die Hosen aufreißen würden. Auch die Seitenfenster fehlten komplett und bliesen permanent Staub ins Wageninnere. Trotz seiner klapprigen Außenhaut wies der Pick-up immerhin funktionierende Sicherheitsgurte auf und die junge Fahrerin bestand erneut darauf, sie zu benutzen.
»Bin ich die Einzige, die das stört?«, beschwerte sich Cassidy und starrte ihre Ausbilderin vorwurfsvoll an. Dog begann hämisch zu grinsen und nahm vorsichtshalber die Arme hoch, um einem drohenden Angriff seiner Gefährtin zu entgehen.
»Wir wussten doch, dass die Sicarii Sklaven für sich schuften lassen«, seufzte Angel.
»Ja aber, das könnten unsere Leute sein!«
»Ganz bestimmt nicht«, warf Jiao kopfschüttelnd ein. »Kriegsgefangene werden nicht einfach auf den Märkten verkauft. Die kommen in Arbeitslager, wie das, was euer Freund scheinbar übernommen hat. Sam blieb die Wahl zwischen vier Jahren Gefängnis oder zweieinhalb Jahren Sklavenarbeit. Er hatte nicht viel zu verlieren, und soweit ich weiß, wird Charles ihn nach Beendigung seines Vertrages auf dem Hof anstellen.«
»Gefängnis?«, wiederholte Cassidy verdutzt. »Was hat er denn verbrochen?«
Jiao lachte für einen Moment, als würde sie sich an eine alte Geschichte erinnern.
»Er hat mit einer kleinen Bande Händler überfallen und war ziemlich erfolgreich, bis ihm irgendwann die Idee kam, seine Operationen an unsere Grenze zu verlegen. Wir sind die einzigen, die seltene Handelsgüter wie hochentwickelte Medizin herstellen können. Er dachte, er könnte ganz groß absahnen, wenn er ein paar Kisten Aspirin erbeuten würde. Womit er nicht gerechnet hat, war, dass Danny und ich plötzlich über seinem Kopf aufgetaucht sind. Da er uns keinen Schaden zugefügt hat, haben wir ihn an die Sicarii ausgeliefert. Nun arbeitet er seine Strafe auf Charles‘ Hof ab«, erklärte Jiao. »Er war kein mordlüsterner Schwerverbrecher, sondern brauchte lediglich einen Tritt in den Hintern.«
12 - Die Höhle des Löwen
Nach fast zwei Stunden staubiger Fahrt erschienen endlich die ersten Umrisse einer Kleinstadt am Horizont. Angel und Dog hielten aufgrund der fehlenden Seitenfenster seit einiger Zeit Augen und Mund geschlossen, um nicht am Sand zu ersticken. Cassidy hätte sie am liebsten dafür ausgelacht, denn dank ihrer Sonnenbrille mit integrierten Seitenschutzblenden genoss sie beinahe den Komfort einer Taucherbrille. Erst als Jiao die Geschwindigkeit drosselte, wagten sie einen Blick durch die Frontscheibe.
Im Gegensatz zum Wohnblockstil der südlichen Wastelands bestand Arnac größtenteils aus ein- und zweistöckigen Flachbauten mit eingezäunten Dachterrassen. Die einzigen Ausnahmen bildeten hohe Wassertürme und vereinzelte Gebäude im Stadtzentrum. Aus der Ferne konnte man die Häuser kaum auseinanderhalten. Jahrzehnte voller Sandstürme hatten sie in ein Einheitsgrau geschliffen. Der Ort war klein genug, um von den Sicarii komplett kontrolliert zu werden, weswegen sie die Ruinen der untergegangenen Zivilisation nach ihren Vorstellungen neu aufbauten.
Vor der Stadtmauer aus Maschendrahtzäunen und Sandsäcken wartete eine Menschentraube auf Einlass, von denen Soldaten jeden einzelnen zu kontrollieren schienen. Die Gruppe wurde bei deren Anblick sichtlich nervös, was Jiao mit ihrem misstrauischen Stirnrunzeln zusätzlich verstärkte. Sie erklärte, dass die Provinz Cor Decat, in der sich Arnac befand, noch relativ jung war und seit der Eroberung offiziell das Kriegsrecht galt, das vom sicariianischen Legionskommandeur Thomas Reece durchgesetzt wurde. Es dauerte mitunter Jahre, bis die imperiale Legion verfeindete Gangs vollständig unterworfen und sie in die Zivilbevölkerung eingegliedert hatten. Dennoch waren derartige Einlasskontrollen ihrer Aussage nach nicht normal.
»Johnny sorgt wohl schon für mehr Chaos, als wir gebrauchen können«, grummelte Angel.
»Ich
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